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Die Deckungssumme ist grundsätzlich das Maximum

OLG Hamm, Beschluss vom 11.07.2019, Az. 6 U 140/18

Leitsatz
Ein gerichtlicher Vergleich mit einem Versicherer beinhaltet im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB die Beschränkung, dass sich der Versicherer nur im Rahmen der bedingungsgemäßen Deckungssumme verpflichtet.

Sachverhalt:
Nach einem Verkehrsunfall im Jahr 1997 nahm die Schwerstgeschädigte zunächst den Kfz-Haftpflichtversicherer  des Unfallgegners sowie diesen persönlich in Anspruch. Dieser Rechtsstreit wurde beendet durch den Abschluss folgenden Vergleichs:

„Die Beklagten zahlen als Gesamtschuldner an die Klägerin über die bereits gezahlten 400.000 DM hinaus einen weiteres Schmerzensgeld i.H.v. 125.000,- DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 5. Dezember 2001. Darüber hinaus zahlen die Beklagten als Gesamtschuldner an die Klägerin über die bereits anerkannte Rente von monatlich 800,- DM hinaus weitere 200,- DM Rente jeweils zum 01. eines Monats mit Wirkung ab dem 01.08.2001. Im Übrigen sind die Parteien sich einig, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, die für ein behindertengerechtes Wohnen erforderlichen und angemessenen Mehrkosten der Klägerin zu zahlen. Mit dieser Regelung sind sämtliche streitgegenständliche Ansprüche der Klägerin erledigt. Im Übrigen erkennen die Beklagten ihre 100-prozentige Haftung dem Grunde nach aus dem Schadensereignis an.‟

Im Jahr 2018 teilte der Haftpflichtversicherer des Schädigers der Geschädigten mit, dass von der Deckungssumme (7.5 MioDM) bereits (gerundet) 3.7 Mio gezahlt worden seien. Die Deckungssumme sei daher in Kürze erreicht (3.7 Mio ~ 7,245 MioDM; bei Deckungssumme von 7.5 MioDM).

Die Klägerin erhob Klage und begehrte die Feststellung, dass die Zahlungsverpflichtungen des Versicherers aufgrund des geschlossenen Vergleiches nicht durch die (mit dem Schädiger im Versicherungsvertrag vereinbarte) Deckungshöchstsumme begrenzt seien.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keine über die Deckungssumme hinausgehenden Ansprüche gegen den Versicherer.

Entscheidungsgründe:
Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurück.

Ein Prozessvergleich ist nach den allgemeinen Regeln auszulegen, §§ 133, 157 BGB, also vom objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte.

Wenn ein Direktanspruch gegen den Versicherer geltend gemacht wird, kann der geschädigte Dritte nur im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis seinen Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen den Versicherer geltend machen. Damit ist der Direktanspruch hinsichtlich seiner Geltendmachung insbesondere durch das versicherte Risiko und die Versicherungssumme nach näherer Maßgabe des jeweiligen Versicherungsvertrags begrenzt.

Der Direktanspruch soll den Versicherer nicht weiter belasten, als er versicherungsvertraglich versprochen habe.

Nachdem der BGH im Urteil vom 25.06.1996, Az. VI ZR 300/95, entschieden hat, dass in einen Urteilstenor die Beschränkung hineinzulesen ist, dass der Versicherer nur maximal zu dem verpflichtet wird, was er gesetzlich bzw. wegen der vereinbarten Deckungssumme schuldet, gilt dies auch bei der Auslegung eines Vergleiches.

Ohne besondere Anhaltspunkte, die auf einen entsprechenden Willen des Versicherers hinweisen, über seine im Verhältnis zum Versicherungsnehmer bestehende Verpflichtung hinaus haften zu wollen, kann ein solcher Wille nicht in den Vergleich hineingelesen werden.

Auch wenn sich der Versicherer im Rahmen des Vergleichs verpflichtet hat, neben seinem (unbegrenzt haftenden) Versicherungsnehmer als Gesamtschuldner an die Geschädigte zu leisten, und sich im Vergleich keine (ausdrückliche) Beschränkung auf die vereinbarte Deckungshöchstsumme findet, konnte die Klägerin bereits im Hinblick auf die Rechtslage bei Abschluss des Vergleichs von einer über die Deckungshöchstsumme hinausgehenden gleichlaufenden Haftung sowohl der Beklagten als auch des Versicherungsnehmers nicht ausgehen.

Eine solche Erklärung folge insbesondere nicht aus der im Rahmen der Vergleichsvereinbarung abgegebenen Erklärung, der Versicherer erkenne die Haftung aus dem Schadensereignis dem Grund nach zu 100% an. Daraus ergab sich allein, dass der Versicherer kein Mitverschulden der Geschädigten einwenden wollte.

Auch der Umstand, dass sich der Versicherer erstmals im Jahr 2017 auf diesen Höchstbetrag stützte, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn daraus sei nicht erkennbar, dass der Versicherer sich bei dem Vergleichsschluss vor über 15 Jahren darüber hinaus verpflichten wollte.

Gespräche über die Deckungssumme im Rahmen von Vergleichsverhandlungen belegen nach Ansicht des OLG, dass den Parteien die Relevanz dieses Betrages bewusst gewesen sei. Für die Annahme, dass der Versicherer jemals über diesen Betrag hinaus einstehen wollte, bedürfte es in diesem Fall noch sehr viel eindeutigerer Anzeichen.

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