Dr. Michael Kappelhoff

(K)ein Schweigen im Wald – Bauherr scheitert an der Darlegung konkreter Bauüberwachungspflichten

Problemdarstellung
Regelmäßig werden Architekten nicht mit einem ausgearbeiteten schriftlichen Vertrag, sondern quasi im Vorbeigehen – mündlich auf der Baustelle, telefonisch etc. – beauftragt. Das ist stets nur so lange unproblematisch, wie man sich nicht streitet. Dann kann es sich für beide Parteien schmerzlich auswirken, wenn der eine Schadensersatzansprüche wegen Mängeln und der andere Honoraransprüche geltend machen will.

Sachverhalt
Ein Bauherr beauftragt einen Architekten mit der Bauüberwachung. Einen belastbaren schriftlichen Vertrag gibt es nicht, denn eine vorhandene schriftliche Vereinbarung wird vom Bauherrn rückdatiert. Es kommt zu Mängeln, worauf der Bauherr Schadensersatzansprüche gegen den Architekten wegen unvollständiger Bauüberwachung geltend macht. Auf seine Klage hin gibt ihm das Landgericht erstinstanzlich Recht und verurteilt den Architekten zu Schadensersatz.

Entscheidung
Das KG beurteilt in seiner jetzt veröffentlichten Entscheidung vom 28.04.2023 (Az. 7 U 154/21) die Rechtslage in der Berufung anders und weist die Klage ab. Das Gericht könne nicht feststellen, dass der Architekt schuldhaft seine vertraglichen Pflichten verletzt habe, weil schon keine Pflicht zur vollumfänglichen Bauüberwachung nachgewiesen sei – in welchem konkreten Umfang Baubewachungspflichten vereinbart worden sei, sei nicht eindeutig feststellbar. Nachdem der Architekt bestritten habe, etwaig teilweise beauftragte Baubewachungspflichten verletzt zu haben, hätte es der Bauherren oblegen, vollen Beweis darüber zu erbringen, dass und welche Werkverpflichtung der Architekt verletzt habe. Der Vortrag des Bauherrn sei vage und widersprüchlich gewesen, zudem habe der Beklagte Architekt die Bauleitung ab einem gewissen Zeitpunkt von einem anderen Architekten übernommen. Die durchgeführte Zeugenvernehmung hätte auch keine Klarheit in Bezug auf die beauftragte Bauüberwachungspflicht gebracht. Die vorgelegte schriftliche Vereinbarung sei lediglich einseitig vom Bauherren verfasst und unstreitig rückdatiert worden; sie diene laut Bauherren dem Zweck, den tatsächlichen Auftragsumfang zu dokumentieren. Der Vortrag des Architekten sei zwar ebenfalls zum Teil inkonsistent und konturlos, zumal Bauüberwachungstätigkeiten auf Stundenlohnbasis und nicht pauschal beauftragt worden seien. Die vorgelegten Stundenlohnabrechnungen belegten allerdings nur die Beauftragung des Architekten mit einzelnen Bauüberwachungsmaßnahmen.
Letztlich sei das Gericht nicht in der Lage, „mit vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietender hinreichender Gewissheit irgendetwas konkretes zum Umfang der tatsächlichen Leistungsverpflichtungen des Architekten“ festzustellen.

Anmerkung
Möglicherweise ist der Architekt hier mit einem blauen Auge davongekommen. Hätte der Bauherr nicht widersprüchlich vorgetragen und zudem rückdatierte schriftliche „Vereinbarungen“ erklären müssen, wäre die Entscheidung möglicherweise anders ausgefallen. Da der Architekt seine Bauüberwachung auf Stundenlohnbasis erbracht hat, kam es ihm hier zugute, dass jedenfalls dem Gericht nur Stundenlohnabrechnungen für begrenzte Überwachungstätigkeiten vorlagen. Die Klägerseite hat es offenbar nicht hinbekommen, die gerügten Mängel am Bauwerk zeitlich jenen Tätigkeiten zuzuordnen und darüber hinaus vorzutragen, dass und wann der Architekt weitere Tätigkeiten erbracht hat. Man muss dem Architekten hier gar keine böse Absicht unterstellen, wenn er nur einzelne Stundennachweise bzw. Abrechnungen vorgelegt hat, denn auch die nachträgliche Dokumentation und verzögerte (Teil-)Abrechnung von Architektenleistungen ist bekanntlich nichts Ungewöhnliches. Sein Honoraranspruch, den er hier widerklagend geltend gemacht hat, ist allerdings darauf beschränkt. Auch nicht ungewöhnlich und hilfreich bei der Abwehr von Schadensersatzansprüche: Die Übernahme von Planungs- bzw. Überwachungstätigkeiten von Architekten und Ingenieuren, die aus dem Bauvorhaben ausscheiden, wird oft nicht sauber dokumentiert, sodass unklar ist, in wessen Leistungszeitraum einzelne Baumaßnahmen und damit verbundene Mängel wohl fallen.

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