Dr. Michael Kappelhoff

Unterschiedliche Gewährleistungsfristen in Bauvertrag und Abnahmeprotokoll – Versehen oder Absicht?

Leitsatz
Wenn in einem Abnahmeprotokoll eine andere Gewährleistungsfrist als im ursprünglichen Bauvertrag angegeben wird, kann es sich um ein folgenloses Redaktionsversehen oder aber um eine einvernehmliche Vertragsänderung handeln.

Problemdarstellung
Zwischen dem Abschluss eines Bauvertrages und der Abnahme der Leistung liegt oft ein erheblicher Zeitraum. Zudem sind regelmäßig unterschiedliche Personen mit der Prüfung und Unterzeichnung des Bauvertrages und der Abnahme befasst. So kann es passieren, dass bewusst oder unbewusst bei der Abnahme eine Regelung zur Gewährleistung aufgenommen wird, die von der Gewährleistungsregelung im Vertrag abweicht. Damit stellt sich die Frage – welche Regelung gilt?

Sachverhalt
Das klagende Bauunternehmen und die Bauherrin hatten ursprünglich im Vertrag für verschiedene Bauteile unterschiedliche Gewährleistungsfristen mit Beginn zwischen August 2010 und Dezember 2011 vereinbart. In dem späteren Abnahmeprotokoll wurde jedoch pauschal für alle Bauteile festgehalten, dass die Gewährleistungsfrist ab dem 05.03.2013 beginne. Die Klägerin verlangt später eine gestellte Gewährleistungsbürgschaft heraus, weil sie der Ansicht ist, die Gewährleistungsfrist sei abgelaufen.

Entscheidung
Dem erteilt das OLG München jedoch eine Absage – die vereinbarte Gewährleistungsfrist sei noch nicht verstrichen. Die Parteien hätten den ursprünglich jeweils vereinbarten Fristbeginn durch ergänzende Vereinbarung in dem Abnahmeprotokoll allgemein auf den 05.03.2013 festgelegt. Die Änderung sei von der Bauherrin vorformuliert und von dem klagenden Bauunternehmen – anders als andere Regelungen – nicht aus dem Protokoll gestrichen worden. Dies mache auch insofern Sinn, als dass das Bauunternehmen die Arbeiten erst in einem verschobenen Leistungszeitraum habe fertigstellen können. Der Mitarbeiter des Bauunternehmens sei mit Duldungsvollmacht aufgetreten, er habe auch sonstige Vertragsergänzungen für das Bauunternehmen vorgenommen, so dass sich das Bauunternehmen die Abänderung des Gewährleistungsbeginns zurechnen lassen müsse. Die Bauherrin habe das Angebot des Bauunternehmens, den Fristbeginn abzuändern, auch angenommen, indem sie die übrigen Streichungen akzeptiert und zu dem Gewährleistungsbeginn im Übrigen geschwiegen habe. Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Anmerkung
Die Entscheidung des OLG München folgt der Rechtsprechung des BGH, der in einer Entscheidung von 2018 (Urteil vom 27.09.2018, Az. VII ZR 45/17 – juris) als Ergebnis der richterlichen Vertragsauslegung die Möglichkeit eines (rechtlich unbeachtlichen) Redaktionsversehens einerseits und einer verbindlichen Abänderung der ursprünglich vereinbarten Gewährleistungsfrist aufgezeigt hatte. Je nach Ergebnis der freien Beweiswürdigung könne das entscheidende Gericht anhand der Umstände des Einzelfalls wie einer geringfügigen Abweichung der Daten im Abnahmeprotokoll und im ursprünglichen Vertrag einerseits oder die Sinnhaftigkeit der Änderung für die dies vorschlagende Partei andererseits als redaktionelles Versehen oder als eine gewollte und verbindliche Vereinbarung im Abnahmeprotokoll bewerten.
Daher können sich solche Diskrepanzen zwischen Abnahmeprotokoll und ursprünglichen Vertragsbestimmungen zu bösen Überraschungen führen, zumal die Rechtsprechung auf die Übersendung des Abnahmeprotokolls regelmäßig die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens anwendet – wer also nicht unverzüglich einer abweichenden Regelung im übersandten Abnahmeprotokoll widerspricht, läuft Gefahr, daran gebunden zu sein. Wegen der oftmals geraumen Zeit, die zwischen Vertragsschluss und Abnahme liegt, muss eine Änderung nicht einmal gewollt sein – ob ein Gericht dann aber ein folgenloses Versehen der Parteien annimmt, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalls und deren Bewertung durch das Gericht ab.

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