Dr. Michael Kappelhoff

Erforderliche Rechtskenntnisse von Architekten sind endlich!

OLG Köln, Urteil vom 16.04.2021 – 19 U 56/20

Sachverhalt
Die Klägerin macht gegenüber dem ausführenden Bauunternehmen und auch den Architekten die Erstattung vermeintlich zuviel geleisteter Abschlagszahlungen geltend, die im Rahmen eines VOB-Bauvertrages über die Errichtung eines Helikopterdachlandeplatzes erbracht worden waren. Es war zu Mengenmehrungen und geänderten Ausführungen von Schraubverbindungen gekommen, die die klagende Bauherrin nicht anerkannte. Die Architekten wehren sich gegen die Ansprüche mit Verweis auf die Aufwendigkeit und Komplexität der Rechnungsprüfung. Man habe prüfen müssen, welche Auswirkungen Massenerhöhungen gehabt hätten, wobei das beklagte Unternehmen bei Einheitspreisen geblieben sei und gleichzeitig ein Pauschalpreisvertrag vorliege.

Entscheidung
Das Landgericht ist der Ansicht, dass die Architekten ihre Pflichten erfüllt haben. Gestützt auf eine sachverständige Bewertung urteilt es, dass von einer branchenüblichen Rechnungsprüfung auszugehen sei und weist die Ansprüche gegen die Architekten ab.

Dies bestätigt das OLG. Der Vortrag der Klägerin zu Pflichtverletzungen der Architekten war eigentlich bereits so dünn, dass die Ansprüche schon deswegen versagt werden konnten. Das OLG ergänzt die Ablehnung eines Anspruchs wegen Mängeln der Prüfung der Abschlagsrechnungsprüfung aber zusätzlich: Der Senat führt aus, dass den mit der Bauüberwachung beauftragten Architekten zwar die Pflicht treffe, Abschlagsrechnungen von Bauunternehmern darauf zu überprüfen, ob sie fachtechnisch und rechnerisch richtig, die zugrunde gelegten Leistungen erbracht seien und ob sie der vertraglichen Vereinbarung entsprächen. Die Frage der Abgrenzung zwischen einer Mengenabweichung nach § 2 Abs. 3 VOB/B und einer Ausführungsabweichung nach § 2 Abs. 8 VOB/B sei demgegenüber ebenso wie diejenige der korrekten Berechnung der Vergütung für 10 % übersteigende Mehrmengen nach § 2 Abs. 3 VOB/B als Rechtsfrage zu klassifizieren. Unbeschadet der tatsächlichen Aspekte wie Art und Menge der verbauten sowie berechneten Materialien und Arbeiten seien diese Fragen letztlich anhand einer (ergänzenden) Vertragsauslegung zu beantworten.

Es würde die Anforderungen an das Maß der im Rahmen eines Architektenvertrages bei der Abschlagsrechnungsprüfung anzuwendenden Sorgfalt erheblich überspannen, wollte man dem Architekten einen Sorgfaltspflichtverstoß vorwerfen, wenn er in einer komplexeren Konstellation wie der vorliegenden eine der vorstehend dargestellten Rechtsfragen unzureichend erfasst und/oder unrichtig beantworte.

Praxishinweis
Das OLG Köln wirkt dem Trend entgegen, Architekten zu Bau-, Vergabe- und Zivilrechtsexperten zu erklären. Das hatte im Vorjahr auch das OLG Stuttgart im Hinblick auf die AGB-Prüfung von Skontoklauseln unternommen und dem Architekten keine speziellen Rechtskenntnisse abverlangt (Urteil vom 30.09.2022, Az. 10 U 12/22, nicht rechtskräftig). Gleichwohl bleibt das Risiko für Architekten hoch, dass die Gerichte von Ihnen erhebliche Rechtskenntnisse und darauf basierende Beratung des Bauherrn verlangen, denn für die abverlangten „allgemeinen rechtlichen Hinweise des Architekten‟ soll der Architekt die gängige Rechtsprechung bei seinen Vorschlägen betreffend Skonto, Sicherheitsleistung und Vertragsstrafe kennen und berücksichtigten – andernfalls kann er wegen Beratungsfehlern in Anspruch genommen werden.
Außerdem ist es eine Frage des Einzelfalls, wann eine ausreichende komplexe rechtliche Situation vorliegt, dass gerichtlich keine Haftung des Architekten angenommen wird.

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