Architekten – Die Alleskönner? Nicht immer!

Kommt es bei Bauvorhaben zu Schäden, geraten (berufshaftpflichtversicherte) Architekten schnell in den Haftungsfokus – kein Wunder, stellt doch die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Architekten; nicht selten werden Architekten auch für Fehler Dritter, z.B. von Werkunternehmen oder Sonderfachleuten, (mit)verantwortlich gemacht. Bei hochkomplexen Bauvorhaben, bei den regelmäßig Spezialisten und Sonderfachleute eingeschaltet sind, findet dies allerdings seine Grenzen, wie auch die aktuelle Entscheidung des Kammergerichts Berlin zeigt.

 

Zum Fall

In Berlin wurde in eine Baulücke ein Hotel gebaut. Im Zuge der Bauarbeiten, insbesondere einer Vertiefung mit Unterfangung, traten an der unmittelbar angrenzenden Nachbarbebauung Risse und Schäden auf. Der Nachbar machte daraufhin (verschuldensunabhängige) Ansprüche gegen die Eigentümerin des Baugrundstücks, die dort das Hotel errichten ließ, nach §§ 906 Abs. 2 S. 2, 909 BGB geltend, zugleich aber auch gegen den bauleitenden Architekten, dem der geschädigte Nachbar vorwarf, gegen eine fehlerhafte Unterfangung nicht eingeschritten zu sein. Mit der Umsetzung des Bauvorhabens hatte der Eigentümer des Baugrundstücks eine Generalunternehmerin beauftragt; diese wieder hat sich wegen der schwierigen Bodenverhältnisse und der Grenzbebauung zur Planung und zur Ausführung zweier ausgewiesener Spezialunternehmen bedient. Die von diesen vorgesehene und geplante Unterfangung funktionierte indes nicht, weshalb es zu Rissen am Nachbarobjekt kam. Die Parteien stritten darum, ob der mitverklagte Architekt für diesen Fehler (mit)verantwortlich war.

 

Zur Entscheidung

Das Landgericht hatte den beklagten Architekten noch neben den Eigentümern, die verschuldensunabhängig hafteten, verurteilt; der Architekt habe pflichtwidrig gehandelt. Das Kammergericht Berlin sah dies anders. Auf die Berufung des beklagten Architekten wurde die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage gegen den Architekten abgewiesen.

Das Kammergericht hat zwar festgestellt, dass jeden an einer Vertiefung Beteiligten eine eigenverantwortliche Prüfungspflicht trifft, den Eigentümer eines Grundstücks nicht dadurch zu schädigen, dass diesem durch Vertiefung des Nachbargrundstücks die Stütze entzogen wird. Wenn aber – wie hier – spezialisierte Unternehmen mit der Begutachtung des Bodens und der Planung und Ausführung der Unterfangung hinzugezogen werden, finden die Pflichten des Architekten ihre Grenze. Liegt ein Boden- und Gründungsgutachten von Sonderfachleuten vor, darf ein Architekt davon ausgehen, dass dieses die Standsicherheit der Nachbargrundstücke berücksichtigt. Erweisen sich die Vorgaben als unzutreffend, kann dem Architekten allenfalls dann ein Vorwurf gemacht werden, wenn Anlass zu Misstrauen bestand. Davon war in diesem Fall nicht auszugehen (Urteil Kammergericht vom 25.05.2020, 20 U 97/18).

 

Fazit

Die Entscheidung kann durchaus als Blaupause für Haftungsfälle dienen, in denen ein Architekt für Fehler von Sonderfachleuten zur Verantwortung gezogen werden soll. Zunehmend gibt es Spezialisten an Baustellen. Ein Architekt kann dieses umfassende Spezialwissen nicht haben. Er muss sich auf die Spezialisten und Sonderfachleute verlassen können. Er haftet nur dann, wenn ihm Fehler ins Auge springen (müssen) oder er sonst Anlass hat, den Spezialisten zu misstrauen.

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