Der Architekt als Rechtsanwalt – Wo ist die Grenze?

Nach Ansicht von Gerichten muss ein Architekt ein Alleskönner sein – auch ein Rechtsanwalt?

Ein Architekt ist zwar prinzipiell weder berechtigt noch verpflichtet, rechtsberatende Tätigkeit auszuüben. Bei der Mitwirkung an der Vergabe werden aber vom Architekten Grundkenntnisse im Werkvertragsrecht und über die VOB erwartet; dazu gehören Gewährleistungsfristen wie auch Regelungen über Vertragsstrafen, über Sicherheitseinbehalte. Dem Architekten ist daher anzuraten, auf solche Vertragstexte zurückzugreifen, die dem geltenden Werkvertragsrecht und auch der geltenden Rechtsprechung entsprechen. Bei Unsicherheit sollte er den Bauherrn veranlassen, anwaltschaftlichen Rat beizuziehen, wenn es um rechtliche Fragen geht.

Wie riskant die Mitwirkung des Architekten an der Vertragsgestaltung ist, zeigt die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs, in dem es um eine doch eher unscheinbare Skontoklausel ging (BGH, Urteil 9.11.2023, VII ZR 190/22).

Sachverhalt

Der beklagte Architekt war mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 hinsichtlich eines Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes befasst. Dabei stellte er der Klägerin, seiner Auftraggeberin, einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm formulierten Skontoklausel zur Verfügung, den diese bei der Beauftragung von bauausführenden Unternehmern verwandte. Die Skontoklausel lautete: „Die Fa. J. gewährt … ein Skonto von 3 % bei Zahlungen der durch die Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagszahlungen bzw. Schlussrechnung innerhalb 10 Arbeitstagen nach Eingang bei der Bauherrschaft.‟ Konsequenterweise hielt die Auftraggeberin von der Schlussrechnung der Fa. J. einen Skontoabzug in Höhe von rd. 100.000 Euro ein. Darüber gerieten die Klägerin mit der Fa. J. in Streit. Die Fa. J. hielt den Skontoabzug für nicht gerechtfertigt unter Hinweis darauf, dass die Skontoklausel als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam sei. Dies wurde in dem Verfahren so gesehen. Denn nach der Skontoklausel begann die Skontofrist erst nach der Prüfung der Rechnung durch den Architekten und der Weiterleitung der geprüften Rechnung mit dem Eingang beim Auftraggeber, ohne dass der Auftragnehmer auf diesen Zeitraum vom Eingang der Rechnung beim Architekten bis zu deren Eingang beim Auftraggeber irgendeinen Einfluss hatte. Damit konnte der Beginn der Skontofrist von Seiten des Auftraggebers auf einen vom Auftragnehmer nicht beherrschbaren Zeitraum verschoben werden, der unter Umständen Monate nach Rechnungseingang beim Architekten liegen kann. Darin sah man eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers. Deshalb schuldete die Klägerin die zu Unrecht gezogenen Skontobeträge noch. In diesem Umfang machte sie dann ihren Architekten, den Beklagten, verantwortlich.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an die Berufungsinstanz zurückverwiesen.

Zur Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass der Architekt durch die Zurverfügungstellung der von ihm selbst entworfenen Skontoklausel gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen hat. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt habe das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht geprüft und deshalb eine hierauf gestützte Haftung des Beklagten in seine Erwägungen nicht einbezogen. Deshalb muss sich nun das Berufungsgericht damit noch befassen.

Auch der Bundesgerichtshof ist zunächst davon ausgegangen, dass der Architekt einen Vertragstext mit der von ihm selbst entworfenen Skontoklausel der Klägerin zu deren Verwendung in ihren eigenen Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung gestellt hat. Die Klägerin habe – so der Bundesgerichtshof – diese Klausel in der Annahme, dass sie ihrer Interessenlage gerecht wird, bei Vertragsabschlüssen mit bauausführenden Unternehmern – darunter die Fa. J. – verwendet. Dass ein Architekt nicht über entsprechende juristische Kenntnisse verfüge, könne man nicht regelhaft annehmen; ein solcher Erfahrungssatz bestehe nämlich nicht. Dem Besteller als im Regelfall Laien auf dem Gebiet des Bauens und des Rechts erschlösse sich grundsätzlich nicht, was von der Kompetenz des Architekten noch umfasst werde oder ausschließlich zum Aufgabenbereich eines Rechtsanwalts gehöre.

Jedenfalls habe der Architekt gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoßen, indem er der Klägerin eine vermeintlich ihrer Interessenlage entsprechende Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern zur Verfügung gestellt habe. Zwar könnten – so der Bundesgerichtshof – Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt sein, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehörten. Eine Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern stelle aber keine Nebenleistung dar, die zum Berufs- oder Tätigkeitsbild des Architekten gehöre. Grundsätzlich habe ein Architekt, der einem Rechtsberater des Bauherrn nicht gleichzusetzen sei, Leistungen zu erbringen, die erforderlich seien, um die mit dem Besteller vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Dieses Aufgabengebiet und damit das Berufsbild des Architekten habe in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen. So könne es zum Erreichen der vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele notwendig sein, über Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts zu verfügen und diese in der Beratung des Bauherrn umzusetzen. Die Zurverfügungstellung einer der Interessenlage der Klägerin entsprechenden Skontoklausel zur Verwendung in den Verträgen mit den bauausführenden Unternehmern gehe allerdings über die typischerweise mit der Verwirklichung von Planungs- und Überwachungszielen verbundenen Aufgaben und damit über das Berufsbild des Architekten hinaus. Denn die Erfüllung einer solchen Pflicht erfordere qualifizierte Rechtskenntnisse, wie sie grundsätzlich nur in der Anwaltschaft vorhanden seien. Der Architekt müsse den Bauherrn nur darauf hinweisen, dass ihm eine solche Tätigkeit nicht erlaubt sei und sich der Bauherr insoweit an einen Rechtsanwalt zu wenden habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht, wenn der Architekt ein Entgelt für das „Mitwirken bei der Auftragserteilung‟ erhalte. Der Verordnungsgeber der HOAI sei nicht ermächtigt, Erlaubnistatbestände für die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen zu regeln.

Praxishinweis

Das Urteil zeigt die Grenzen auf, was ein Architekt an Rechtsberatung noch machen darf und was nicht. Die bisherige Handhabung, dass Architekten ihren Auftraggebern komplette Vertragsentwürfe zur Verfügung stellen, ist für den Architekten riskant. Regelmäßig enthalten diese Verträge auch Klauseln, die auf erste Sicht mit den Architektenleistungen nichts zu tun haben. Dazu zählt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedenfalls eine Skontoklausel, mit der ja letztlich nur eine schnelle Zahlung belohnt werden soll. Eine solche Klausel gehöre nicht zum Berufsbild eines Architekten. Nun ist es so, dass der Versicherungsschutz eines Architekten grundsätzlich nur dann greift, wenn der Schaden im direkten Zusammenhang mit der Ausübung des versicherten Berufsbildes entstanden ist. Der Architekt läuft also zusätzlich Gefahr, in solchen Fällen keinen Versicherungsschutz zu haben. Architekten sollten ihre Auftraggeber an erfahrene Baurechtsanwälte verweisen, die dann eine juristische Kontrolle vornehmen.

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