Ein neues Dach für lau – dank Verbraucherwiderruf

Kein Wertersatz beim Verbraucherwiderruf bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Werkverträgen

 

OLG München; Beschluss vom 19.04.2021 – 28 U  7274/20 Bau (rechtskräftig: der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, Beschluss vom 10.05.2023, VII ZR 414/21)

Leitsatz 

Widerruft der nicht ordnungsgemäß über sein bestehendes Widerrufsrecht belehrte Verbraucher einen Werkvertrag, hat er für die erhaltenen Bauleistungen regelmäßig keinen Wertersatz zu leisten. Er hat auch nicht das verbaute Material zurückzugeben oder dafür Ersatz zu leisten. Ein Dach für lau!

Sachverhalt

Der Kläger hat einen Dachdeckerbetrieb. Wie es genau zu dem Auftrag kam, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Es kann gut sein, dass der Kläger vom beklagten Bauherrn auf einer naheliegenden Baustelle angesprochen und gefragt wurde, ob auch sein Dach neu gedeckt werden könne. Der Kläger mag dann einen Pauschalpreis genannt haben, der vor Ort auf einem mitgebrachten kleinen Vertragsformular festgehalten wurde. Jedenfalls fehlte es an einer schriftlichen Widerrufsbelehrung des Verbrauchers. Nach 10 Monaten sind die vereinbarten Dachdeckerarbeiten vollständig durchgeführt. Der Verbraucher erklärt den Widerruf des Vertrages.

Der Kläger verlangt der Zahlung der Rechnung von 25.000,00 EUR, anderenfalls Rückgabe oder Wertersatz für das eingebaute Material. Das Landgericht weist die Klage ab, das Oberlandesgericht hat über die eingelegte Berufung zu entscheiden.

Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das OLG München bestätigt das landgerichtliche Urteil.

Das Widerrufsrecht bestand, weil ein Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Handwerksbetriebes geschlossen wurde (früher: Haustürwiderruf). Das normalerweise 14 Tage betragende Widerrufsrecht erlischt in einem solchen Fall erst nach einem Jahr und 14 Tagen. Dieser Zeitraum war noch nicht abgelaufen, als der Widerruf erklärt wurde.

Die Folgen sehen vor, dass jede Seite im Prinzip die erhaltenen Leistungen zurückgeben muss. Dies ist aber nicht möglich, weil die Materialien fest im Haus des Beklagten verbaut sind. Der bei einem Rücktritt sonst geschuldete Wertersatz ist nach § 357 Abs. 8 BGB nur unter engen Bedingungen zu zahlen, jedenfalls dann aber nicht, wenn keine Belehrung stattgefunden hat.

Das Material kann auch nicht zurückverlangt werden, weil es als solches nicht mehr da ist, sondern sich – so jedenfalls die übliche Sichtweise – mit dem Hausgrundstück zum einem Ganzen verbunden hat und so ins Eigentum des Bestellers übergegangen ist. Die etwas bessere Rechtsfolge beim Wertersatz im sogenannten Verbraucherbauvertrag (§ 357d BGB) kommt dem Handwerker nicht zugute, weil ein Verbraucherbauvertrag voraussetzt, dass Vertragsinhalt – grob gesagt – die Errichtung eines ganzen Hauses ist.

Anmerkung

Dieser für den Handwerker bittere Fall lässt sich auf andere Gewerke ohne weiteres übertragen.

Der Handwerker hat es doch selbst in der Hand – sagt der europäische Gesetzgeber. In der Zwischenzeit ist aber noch nicht angekommen, dass das Widerrufsrecht nicht nur für Heizdecken auf Ausflugsfahrten gilt, sondern auch im Baubereich in bestimmten Konstellationen zum Tragen kommt.

Nach unserem Eindruck entwickelt sich dafür bei bestimmten Kundengruppen langsam ein Bewusstsein dafür, wie preiswert man auf diese Art und Weise Leistungen erlangen kann. Zwar werden die Gerichte, wenn sie Absicht annehmen, das oben dargestellte Ergebnis korrigieren. Aber wann wird sich das feststellen lassen?

Handwerksbetriebe täten also besser daran, sich auf die Rechtslage einzustellen. Man kann sich zum einen bei Vertragsanbahnungen klug verhalten, sodass es erst gar nicht zum Widerrufsrecht kommt. Ansonsten sollte man sich damit beschäftigen, wie man den Auftrag mit Widerrufsrecht rechtssicher abwickelt. Ihr Bauanwalt berät Sie gerne.

Jammern und auf den Gesetzgeber schimpfen wird allemal nicht ausreichen, auch wenn wohl noch ein paar Widersprüche im Gesetz zu begradigen sein werden. Immerhin ist jeder Unternehmer in anderen Situationen auch Verbraucher und genießt dann selbst einen Schutz, der manchmal bitter nötig ist.

(Dr. Harald Scholz)

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