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Recht im Winter III – Aufsichtspflichten beim Rodeln und Skifahren

AG Bonn, Urteil vom 09.02.2006 – 15 C 465/05

und

LG Augsburg, Endurteil vom 28.08.2017 – 34 O 8/17 (externer Link)

Sachverhalt („Rodeln‟, AG Bonn):

Ein 6-(knapp-7-)-jähriges Kind fährt alleine Schlitten. Die Aufsichtspflichtigen befanden sich ohne Zugriffsmöglichkeit auf das Kind in einiger Entfernung. Besondere Gefahrenmomente waren nicht erkennbar.  So ließen Winkel und Länge des „Rodelhangs‟ das Erreichen hoher Geschwindigkeit nicht zu.

Wegen des Umfallens eines Vorausfahrenden fuhr das Kind in diesen hinein und verletzte ihn im Gesicht. Dieser verlangte nun Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde abgewiesen, weil dem Geschädigten kein Anspruch zustünde. Die Aufsichtspflicht sei nicht verletzt worden:

  1. Nach Ansicht des Gerichtes können Eltern nicht ganz sieben Jahre alte Kinder auch ohne Aufsicht schlittenfahren lassen, wenn keine besonderen Gefahrenmomente erkennbar sind.
  2. Besondere Gefahrenmomente hätten nicht vorgelegen. Der Winkel und die Länge der Schrägfläche lassen keine besonderen Geschwindigkeiten mit den Schlitten zu. Es ist auch nicht unbedingt zu erwarten und damit nicht unbedingt damit zu rechnen, dass auf dieser Fläche ein Kind mit dem Schlitten im Alter von fast sieben Jahren umkippt und damit dann ein plötzliches Hindernis für ein zu beaufsichtigendes Kind bildet.
  3. Bei Schlitten handelt es sich im übrigen um ganz normale Kinderspielzeuge.
  4. Von daher sieht das Gericht keine Aufsichtspflichtverletzung, wenn an einer derartigen Stelle Kinder spielen, die immerhin schon im schulpflichtigem Alter sind. Das hieße nämlich, das Kinder in diesem Alter ohne Aufsicht überhaupt nicht mehr spielen dürfen.

Anmerkung:

Das Gericht führt hierzu in dem kurzen Urteil nicht weiter aus. Wir gehen davon aus, dass das Kind nicht zum ersten Mal den Schlitten nutzte, sondern schon darin geübt war. Hätte es sich „um die erste Schlittenfahrt im Leben des Kindes‟ gehandelt, könnte man den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht abweichend bewerten.

 

Sachverhalt („Skifahren‟, LG Augsburg):

Im Rahmen einer mehrtägigen (schulischen) Skifreizeit ließen Schullehrer den geschädigten dreizehnjährigen klagenden Schüler alleine einen Hang hinunterfahren, ohne auf diesen aufzupassen; sie befanden sich in größerer Entfernung. In den Vortagen wurde dieser Hügel bereits von den Teilnehmern der Skifreizeit erübt, befahren und auch vom Kläger ohne erkennbare Probleme bewältigt. Als der Kläger den Hang befuhr, verunfallte er, als sich die Bindung öffnete und er stürzte.

Entscheidungsgründe:

Zunächst war wegen der Schulbezogenheit (schulische Skifreizeit) einerseits die Angelegenheit unter den Grundsätzen der Amtshaftung zu bewerten. Ferner waren die Privilegien nach §§ 104 ff. SGB VII im Auge zu behalten.

Das Landgericht sah zwar eine Aufsichtspflichtverletzung als gegeben an:

Jedoch sind – wie ausgeführt – im Rahmen des Umfangs der Aufsichtspflicht neben den charakterlichen Eignungen der zu Beaufsichtigenden auch die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Insoweit steht eine gänzliche, ca. 30-minütige -ca. 80m entfernte – Ortsabwesenheit des Zeugen G. vom Kinderskiland der ordnungsgemäß ausgeführten Aufsichtspflicht entgegen.

Es fehlte aber bereits an der Kausalität dieser Aufsichtspflichtverletzung. Denn auch wenn die Lehrer dort gewesen wären, hätten sie weder das Schließen der Bindung des Klägers kontrollieren müssen noch hätten sie ihm das Befahren des Hanges und der kleinen – bereits erübten Schanze – untersagen müssen.

Im Übrigen bestand keine Haftung, weil auch nicht der nach SGB VII erforderliche doppelte Vorsatz vorgelegen hätte.

Damit konnte der Kläger keinen Anspruch auf Schmerzensgeld verfolgen. Klarstellend: Selbstverständlich war der Kläger gesetzlich unfallversichert und hatte daher keine Kosten der Behandlung etc. selbst zu tragen.

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