Fiktive Abrechnung im Mietrecht?

BGH, Beschl. v. 10.05.2022 – VIII ZR 277/20

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach ständiger Rechtsprechung kann im Mietrecht ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB fiktiv abgerechnet werden. Die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats (Urt. v. 22.02.2018 – VII ZR 46/17), in der dieser der fiktiven Abrechnung im Werkvertragsrecht eine Absage erteilt, kann nicht auf das Mietrecht übertragen werden.

 

Sachverhalt

Die Beklagte mietete ab Dezember 2007 die Wohnung der Klägerin. Nach dem Mietvertrag ist die Beklagte zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet. Nach Beendigung des Mietvertrages zum 31.07.2017 verlangte die Klägerin unter Fristsetzung die Vornahme von einigen Schönheitsreparaturen. Dem kam die Beklagte nicht nach, sodass die Klägerin Schadensersatz i.H.v. 3.696,75€ aufgrund eines Kostenvoranschlages eines Malerbetriebes verlangte.

Das Amtsgericht gab der Klage statt, die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Die Beklagte sei aufgrund des Mietvertrages zu den Schönheitsreparaturen verpflichtet, die sie innerhalb der Frist nicht vorgenommen habe. Die Schönheitsreparaturen seien auch erforderlich, da die Beklagte die Wände bunt gestrichen habe. Ebenso sei der in dem Kostenvoranschlag geforderte Betrag erforderlich und angemessen.

Die Klägerin könne den Schaden auch fiktiv abrechnen. Der VII. Zivilsenat des BGH habe dies für das Werkvertragsrecht zwar verneint, dies könne jedoch nicht auf das Mietrecht übertragen werden. Im Gegensatz zu einem Besteller könne ein Vermieter die Vergütung nicht mindern (§§ 634 Nr. 3, 638 BGB). Durch die fiktiven Mängelbeseitigungskosten könne der Schaden ziemlich genau und vorhersehbar beziffert werden. Würde der Schadensersatz nach dem Minderwert oder nach den tatsächlich aufgewandten Kosten bemessen, könne dies den Mieter dazu verleitet werden, seinen Pflichten nicht mehr nachzukommen.

Mit der Revision will die Beklagte weiterhin die Klageabweisung erreichen. Das Berufungsgericht ließ die Revision hinsichtlich der „Ersatzfähigkeit fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Mietrecht“ zu.

 

Entscheidung

Ein Zulassungsgrund für die Revision liegt nicht (mehr) vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und ein Zulassungsgrund gem. § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegt nicht vor.

Die Frage, ob im Mietrecht ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 S. 1 BGB fiktiv abgerechnet werden kann, ist höchstrichterlich geklärt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH können Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung im Mietrecht (auch Kosten für Instandsetzung oder -haltung oder Rückbau) fiktiv berechnet werden.

In seinem Urteil vom 22.08.2018 – VII ZR 46/17 verneinte der VII. Zivilsenat des BGH zwar die fiktive Abrechnung im Werkvertragsrecht, stellte aber auch ausdrücklich klar, dies beziehe sich aufgrund der Besonderheiten des Werkvertragsrecht (insb. Vorschussanspruch des Bestellers gem. § 637 Abs. 3 BGB) nur hierauf.

Im Mietrecht besteht war ein mit § 637 Abs. 3 BGB vergleichbaren Anspruch auf Vorschuss einer beabsichtigten Selbstvornahme, der nach der Rechtsprechung unter den Voraussetzungen des § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB auch für Mietmängel und die erforderlichen Renovierungskosten gilt, sofern der Mieter die Schönheitsreparaturen nicht fristgerecht durchgeführt hat. Vorliegend macht die Klägerin jedoch Ansprüche aufgrund eines beendeten Mietverhältnisses geltend.

Daher hat die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin kann die Kosten für die Schönheitsreparaturen gem. § 280 Abs. 1, 3, § 282 Abs. 1 BGB nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten berechnen. Die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats ist aufgrund der Besonderheiten der verschiedenen Vertragstypen nicht auf das Mietrecht übertragbar.

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