Hinterbliebenengeld XXVIII: Anspruch einer erwachsenen Tochter beim Versterben einer 77-Jährigen

OLG München, Hinweisbeschluss vom 19. März 2024 – 24 U 541/24

 

Sachverhalt

Die Klägerin verlangte aufgrund des Verkehrsunfalltodes ihrer Mutter im dezember 2020 von den Beklagten Hinterbliebenengeld. Das Landgericht sprach ihr 12.000 € zu. Dies wird von der Beklagten mit der Berufung angegriffen.

 

Entscheidung

Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass es beabsichtigte, die Berufung zurückzuweisen.

Zunächst weist das Berufungsgericht auf die allgemeinen Erwägungen zur Bemessung des Hinterbliebenengeldes hin:

Bei der Bemessung der Höhe der Hinterbliebenenentschädigung durch den nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichter sind die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen zu bewerten und hierbei die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen. Maßgebend für die Höhe sind im Wesentlichen die Intensität und Dauer des erlittenen seelischen Leids und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei lassen sich aus der Art des Näheverhältnisses, der Bedeutung des Verstorbenen für den Anspruchsteller und der Qualität der tatsächlich gelebten Beziehung indizielle Rückschlüsse auf die Intensität des seelischen Leids ableiten. Der in dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD genannte Betrag in Höhe von 10.000 EUR (BT-Drs. 18/11397, 11) bietet eine Orientierungshilfe für die Bemessung, von der im Einzelfall sowohl nach unten als auch nach oben abgewichen werden kann. Er stellt keine Obergrenze dar (BGH Urteil vom 06.12.2022 – VI ZR 73/21, BGHZ 235, 254 = NJW 2023, 1438).

Für den Einzelfall bestätigt das OLG München die erstinstanzliche Entscheidung und bestätigt das bemessene Hinterbliebenengeld von 12.000 €.

Für die geringfügige Erhöhung des Hinterbliebenengeldes über den gesetzgeberisch angedachten Rahmen von 10.000 € hinaus, setzte das Gericht an:

  • besonderes persönliches Näheverhältnis (Wohnungen nur 3 Kilometer auseinander)
  • jeden Sonntag gemeinsames Mittagessen
  • Besuche auch unter der Woche
  • während der Corona-Pandemie ganztätige gemeinsame Montage
  • Verstorbene hatte vor Jahren die Kinder der Tochter betreut
  • Tochter hat nach dem Versterben besonderes seelisches Leid erlitten
  • Durchschlafprobleme der Tochter nach dem Tod der Mutter
  • weitere Erhähung wäre möglich gewesen, hätte die Tochter den Unfall persönlich miterlebt

Es gab auch keine Gründe, das Hinterbliebenengeld zu reduzieren. Weder war das Lebensalter der Verstorbenen relevant, da diese noch rüstig und fit war, an der Volkshochschule eine Kursbuchung plante und auch noch alleine wohnte; noch gab es ein vorwerfbares Mitverschulden.

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