§§ 836, 837 BGB bei einer Bautreppe

Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11. Januar 2023 – 4 U 136/21

Der Generalunternehmer, der eine Bautreppe errichtet, ist Besitzer derer im Sinne des § 837 BGB, so dass er bei deren Einsturz gemäß § 836 BGB haften kann.

Sachverhalt

Der Generalunternehmer errichtete eine hölzerne Bautreppe, damit die Arbeiter der Subunternehmer bereits vor Einbringung der geplanten Treppe in den oberen Stockwerken arbeiten konnten. Für Arbeiten am Innenputz wurde durch eine Subunternehmerin die Treppe einmal abgeschraubt und anschließend ohne Verschraubung hingestellt. Anschließend verletzte sich ein Arbeiter einer anderen Firma, als die Treppe ins Rutschen geriet und er 2,5m tief stürzte. Streitgegenständlich sind Ansprüche wegen der Schädigung. In Anspruch genommen wird zuletzt nur noch die Generalunternehmerin.

Das Landgericht hatte die Klage (mit sozialrechtlichem Hintergrund) abgewiesen. Das Landgericht begründete dies damit, dass der Nachweis einer Pflichtverletzung nicht geführt sei. Dagegen wurde klägerseits Berufung eingelegt.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hatte Erfolg. Die Generalunternehmerin haftet für die Verletzung des gestürzten Arbeiters:

ist die Bautreppe ein „anderes mit dem Grundstück verbundenes Werk“ i.S.d. §§ 836, 837 BGB, das zum maßgeblichen Zeitpunkt des Unfalls im Eigenbesitz der Beklagten stand und eingestürzt ist, wodurch der Geschädigte verletzt wurde

Im Einzelnen:

  1. „Werk‟ im Sinne der §§ 836, 837 BGB
    „Mit „Werk“ i.S.d. §§ 836, 837 BGB ist ein einem bestimmten Zweck dienender, von Menschenhand nach den Regeln der Baukunst oder der Erfahrung unter Verbindung mit dem Erdkörper hergestellter Gegenstand gemeint (RGZ 60, 139; 76, 261; HRR 1930 Nr 904; OLG Rostock, Urteil vom 15.09.2003 – 3 U 58/03 -). Es macht keinen Unterschied, ob die Herstellung auf Dauer oder zu einem vorübergehenden Zweck (Fahrnisbauten) erfolgt (RG WarnR 1909 Nr 23; JW 1910, 288; BGH, Urteil vom 08.02.1972 – VI ZR 155/70 -; OLG Stuttgart, Urteil vom 28.04.2009 – 6 U 56/08 -) und welcher Art die Verbindung mit dem Erdkörper ist, ob es sich also um unterirdische Anlagen oder um mit dem Erdboden verbundene oberirdische Anlagen handelt, ob die Verbindung eher lose oder eine tiefgründige ist. Eine Verbindung i.S.v. § 94 BGB ist nicht erforderlich; die Verbindung mit dem Grund und Boden durch die eigene Schwere des Werks genügt (OLG Rostock, Urteil vom 15.09.2003 – 3 U 58/03 – Baugerüst; OLG Hamm, Urteil vom 27.04.1995 – 27 U 169/94 – Turmdrehkran; OLG München, Urteil vom 04.04.2000 – 18 U 4536/99 – Turmdrehkran; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.1998 – 22 U 124/97 – Bierpavillon). Das Werk darf bedingt durch seine Schwerkraft lediglich nicht ohne Weiteres fortbewegt werden können, wie es beispielsweise bei Leitern (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.02.2018 – Rn 20), Fahrzeugen oder Baumaterial der Fall ist (Staudinger/Bernau (2018) § 836 BGB Rn 23 mwN).‟
  2. Warum war die Bautreppe ein solches Werk?
    „Dies vorangestellt, besteht ungeachtet der Tatsache, dass die Bautreppe (jedenfalls) zum Zeitpunkt des Unfalls offenkundig – andernfalls hätte die Bautreppe nicht ins Rutschen geraten und herabfallen können – nicht fest – mittels drei Schrauben – mit dem Gebäude verbunden war, kein Zweifel daran, dass sie eine für die Anwendbarkeit der §§ 836, 837 BGB hinreichende Verbindung mit dem Gebäude aufwies. Denn auf das Mittel der Verbindung kommt es nicht an, sondern auf die sachgerechte Einfügung der Teile zum bestimmungsgemäßen Zweck des Werkes (so bereits BGH, Urteil vom 04.03.1997 – VI ZR 51/96 – Rn 9). Die auf zwei Holzpaletten genagelte Bautreppe ließ sich nicht ohne weiteres fortbewegen – nach dem eigenen Vortrag der Beklagten soll dies auch den Mitarbeitern der K. GmbH nur „gemeinsam möglich‟ gewesen sein – und sie sollte bis zur Einbringung der endgültigen Treppe in dem Gebäude verbleiben. Dass die Treppe auf Paletten stand, ändert daran nichts, entscheidend ist das Gewicht der Gesamtkonstruktion.‟
  3. Generalunternehmerin war und blieb Besitzerin
    „Ursprünglich stand die Bautreppe im Eigenbesitz der Beklagten, die sie als Generalunternehmerin hat errichten lassen, um den weiteren am Bau Beteiligten während der Bauzeit und bevor die endgültige Treppe eingebaut ist, den Zugang zu dem Dachgeschoß des zu errichtenden Wohnhauses zu ermöglichen und die dort anfallenden Bauarbeiten durchzuführen. (…) Ihren Eigenbesitz an der Bautreppe hat die Beklagte nicht dadurch verloren, dass sie selbst im Zeitraum nach dem 29.03. bis zum Unfalltag am 06.04.2016 nicht auf der Baustelle tätig war. Denn allein die vorübergehende Abwesenheit des Eigenbesitzers von der Baustelle lässt nicht den Schluss zu, dass der Eigenbesitzer seinen Beherrschungswillen aufgibt. (…) Auch der von der Beklagten behauptete – letztlich ohnehin nicht erwiesene (dazu unten) – Abbau der Bautreppe durch Mitarbeiter der K. GmbH ohne ihr Wissen und Aufbau an derselben Stelle, aber ohne hinreichende Befestigung führte nicht zum Verlust des Eigenbesitzes der Beklagten. Ein Übergang vom Fremdbesitz der Fa. K. an der Bautreppe zum Eigenbesitz könnte nur dann angenommen werden, wenn mit dem Ab- und Wiederaufbau der Bautreppe ein neues Werk i.S.d. §§ 836, 837 BGB entstanden wäre (…). Das liegt indes fern.‟
  4. Einsturz
    „c) Die Bautreppe ist eingestürzt – unter „Einsturz“ wird der plötzliche und unwillkürliche Zusammenbruch des gesamten Gebäudes oder Werkes infolge Lösung der Verbindungen, die es zusammenhalten (Staudinger/Bernau (2018) § 836 BGB Rn 26), verstanden – und dieses Einstürzen beruhte auf der mangelhaften Errichtung der Bautreppe. Insoweit gilt der Beweis des ersten Anscheins, der für die Verursachung des Einsturzes des Werkes durch die fehlerhafte Errichtung bzw. mangelhafte Unterhaltung des Werkes spricht und sich auch auf die Kausalität für das schädigende Ereignis in Form des Einsturzes oder der Ablösung von Teilen erstreckt.‟
  5. kein pflichtgemäßer Zustand
    Das Oberlandesgericht führt aus, dass schon das Verrutschen der Treppe belegt, dass die Treppe nicht – wie beklagtenseits behauptet – gesichert war.

Hinweis

Der ordnungsgemäße Zustand von Gerüsten (vgl. Artikel) oder – wie vorliegend – Bautreppen ist immer wieder Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Mit Blick auf die vom Brandenburgischen Oberlandesgericht beispielhaft herangezogenen Vergleichsentscheidungen (vorstehend Ziffer 1) kommt gerade bei den Schadenursachen Drehkran, Gerüst und Bautreppe eine Haftung nach dem Maßstab de § 836 BGB in Betracht und bezüglich der Verantwortlichkeit nach § 837 BGB nicht nur der Grundstückseigentümer, sondern der die Sache errichtende Generalunternehmer.

 

 

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