Keine Sozialkassenpflicht für Verleger von Fußbodenheizung?
Arbeitsgericht Wiesbaden Az. 12 Ca 172/22 SK
Sachverhalt
Immer wieder kommt es zum Streit zwischen der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) und Betrieben, die in irgendeiner Form ein Baugewerbe ausüben. Die Pflicht, Beiträge zur Sozialkasse abzuführen, regelt der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV-Bau). Dieser sieht vor, dass die meisten Unternehmen seinem Geltungsbereich unterfallen, notfalls über einen Auffangtatbestand. Davon gibt es jedoch Ausnahmen und hiervon wiederum Rückausnahmen. Beispielhaft werden Betriebe des Dachdeckerhandwerks oder Sanitärbetriebe ausgenommen. Für letzte gilt wiederum eine Rückausnahme. Üben die Sanitärbetriebe zeitlich überwiegend Katalogtätigkeiten aus (z.B. Fliesen- oder Rohrleitungsbauertätigkeiten) werden sie dem Geltungsbereich wieder zugeordnet.
Im vom Arbeitsgericht Wiesbaden zu entscheidenden Fall hat die ULAK einen Betrieb in die Pflicht nehmen wollen, der unter Aufsicht und Anleitung eines Gesellen mit Hilfskräften, die nicht dem Bauhauptgewerbe entstammen, ausschließlich Schläuche für Fußbodenheizung verlegt. Der Arbeitsablauf gestaltet sich derart, dass aus Kunststoff bestehende Schläuche von einer Rolle abgerollt, zugeschnitten, gebogen, ggf. mit einer Presse mit anderen Teilen verbunden und schließlich mit dem Boden befestigt werden. Die Mitarbeiter des Betriebes sorgen für die Anschlüsse an die Verteiler, führen Druck- und Dichtigkeitsprüfungen durch und sind auch bei der Inbetriebnahme der Heizung zugegen. Der Betrieb führt auch Wartungen und Reparaturen bereits installierten Schlaufen durch.
Die ULAK ist davon ausgegangen, dass es sich um einen Betrieb handelt, der baugewerbliche Arbeiten ausführt und nicht als Betrieb des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes aus dem fachlichen Geltungsbereich des VTV-Bau auszunehmen sei, jedenfalls greife eine Rückausnahme, weil der Betrieb Rohre verlege, also Rohrleitungsbau im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Ziff. 25 VTV-Bau ausübe.
Entscheidung
Dieser Auffassung hat das Arbeitsgericht Wiesbaden eine klare Absage erteilt und die auf rückständige Beiträge gerichtete Klage abgewiesen. Nach Einschätzung des Arbeitsgerichts ist der hier betroffene Betrieb nicht zur Zahlung verpflichtet, da er einen Betrieb des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes darstellt und insoweit aus dem fachlichen Geltungsbereichs des VTV ausgenommen ist.
In Anlehnung an bereits vorausgegangene Rechtsprechung des BAG geht das Arbeitsgericht davon aus, dass es bei Betrieben mit Tätigkeiten, die sowohl baulichen Charakter haben als auch einem Ausnahmetatbestand unterfallen, darauf ankomme, welches Gepräge die Verrichtung dem Unternehmen verleihe; für die Abgrenzung kommt es dabei darauf an, ob die Ausführung der Arbeiten durch gelernte Kräfte des speziellen Handwerks erfolgt bzw. durch Fachleute angeleitet und überwacht wird. Das BAG hatte hierzu bereits entschieden, dass dies nicht zwingend ein Meister sein muss.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts stellt das Verlegen von Schlaufen für Fußbodenheizungen eine Tätigkeit dar, die typischerweise von Installateuren des Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnikgewerbes ausgeführt wird. Da im vorliegenden Fall ein ausgebildeter Gas- und Wasserinstallateur die Tätigkeit angeleitet und überwacht habe, sei es ausreichend, wenn die Tätigkeit im Übrigen durch ungelernte Kräfte ausgeführt werde; anders als bei der Installation einer komplizierten Heizungsanlage fielen beim Verlegen von Schlaufen eine ganze Reihe zeitaufwändiger Tätigkeiten an, deren Verrichtung als solche wiederum kein im hohem Maße ausgeprägtes Wissen oder Können erfordere. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts und zur Sicherung des Gepräges ist es daher ausreichend, wenn ein einschlägig ausgebildeter Beschäftigter das Gesamtvorhaben plant und eine überschaubare Anzahl von Untergebenen anleitet und überwacht, was bei maximal drei Helfern im vorliegenden Fall gewährleistet war.
Der Auffassung der ULAK, dass ein solcher Betrieb Rohrleitungsbau betreibe, schloss sich das Arbeitsgericht nicht an. Nach der Rechtsprechung kann zwar auch eine Schlaufe für eine Fußbodenheizung ein „Rohr“ sein. Rohrleitungsbauer unterliegen allerdings einer anderen Ausbildung und werden auch nicht im gleichen Bereich eingesetzt. Rohrleitungsbauer erstellen, warten und reparieren der Branche zugehörige Rohrleitungssysteme, um den Transport von Gas, Wasser, Öl oder Fernwärme in Wohn-. Gewerbe- bzw. Industriegebäude zu ermöglichen. Rohrleitungsbauer sind keine Feininstallateure, sondern werden auch in der Herstellung von Schachtbauwerken, Baugruben und Verkehrswegen unterwiesen; Kenntnisse über das Arbeiten in Gebäuden wie die Vornahme von Druckprüfung von Sanitäranlagen und Heizungen werden ihnen in der Ausbildung nicht vermittelt; dafür zu sorgen, dass das von den öffentlichen Versorgungsträgern angelieferte Wasser oder Gas innerhalb der einzelnen Gebäuden an die Stellen komme, wo es gebraucht werde, obliege den Angehörigen anderer Gewerke, insbesondere denjenigen des Heizungs- Sanitär- und Klimatechnikgewerks.
(Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Berufung wird beim LAG Hessen zum Az. 10 Sa 433/23 SK geführt.)