§§ 104 ff. SGB VII und Hinterbliebenengeld
BGH, Urteil vom 08.02.2022, Az.: VI ZR 3/21
Leitsätze
Die Haftungsausschlüsse der §§ 104 ff. SGB VII erfassen auch das Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB.
Entscheidung
Nach Ansicht mehrerer Landgerichte war auch das Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB (LG Koblenz, 24.4.2020, Az.: 12 O 137/19; LG Mainz, 02.09.2020, Az.: 5 O 249/19) von den §§ 104 ff. SGB VII erfasst. Das OLG Koblenz hatte hingegen entschieden, die Haftungsbeschränkungen seien auf Ansprüche auf Hinterbliebenengeld nicht anwendbar. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass der Haftungsausschluss gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII und § 105 Abs. 1 SGB VII auch die Ansprüche der Hinterbliebenen auf Hinterbliebenengeld gemäß § 844 Abs. 3 BGB erfasst . Nach Ansicht des BGH sprechen Sinn und Zweck der §§ 104, 105 SGB VII entscheidend für eine Anwendung der Haftungsbeschränkung auf das Hinterbliebenengeld. Auch wenn es sich bei Streitigkeiten zwischen Hinterbliebenen und Betriebsinhabern bzw. dort beschäftigten Personen auf erste Sicht um außerbetriebliche Streitigkeiten ginge, seien die Hinterbliebenen in den Schutz des Betriebsfriedens mit eingebunden. Dies manifestiere sich in der ausdrücklichen Einbeziehung der Hinterbliebenen im Gesetzestext. Zwar sehe die gesetzliche Unfallversicherung keine zum Hinterbliebenengeld kongruenten Leistungen vor, jedoch sei dies auch nicht notwendig. Außerdem könnten Angehörigen und Hinterbliebenen wegen der Tötung des Versicherten durchaus unfallversicherungsrechtliche Ansprüche nach §§ 63 ff. SGB VII (Sterbegeld, Überführungskosten, Hinterbliebenenrenten, Beihilfe) zustehen. Der Unterschied zum Schockschaden, der nicht von den Haftungsprivilegien erfasst sei (BGH, 6.2.2007, AZ.: VI ZR 55/06) liege darin, dass der Schockschadensersatz als Anspruch auf Schmerzensgeld auf der Verletzung eines eigenen Rechtsguts beruhe, während der Anspruch auf Hinterbliebenengeld nach § 844 Abs. 3 BGB keine eigene Gesundheitsbeeinträchtigung des Hinterbliebenen im Sinne der § 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 BGB voraussetze. Vielmehr knüpfe das Hinterbliebenengeld auf der Ebene der Haftungsbegründung an die Verletzung eines fremden Rechtsguts, des in § 823 Abs. 1 BGB explizit genannten Lebens des Versicherten, an und suche erst auf der Ebene der Haftungsausfüllung den eigenen Gefühlsschaden der Hinterbliebenen zu entschädigen. Der Sache nach handle es sich um einen immateriellen Ersatzanspruch eigener Art und damit im Hinblick auf Rechtsnatur und Anwendungsbereich um ein vom Schockschaden verschiedenes Institut.