Rechtsfolgen der Aerodynamik von Allgemeinverfügungen (oder: umfallende Verkehrsschilder)

LG Wuppertal, Urteil vom 05.09.2022 – 2 O 29/20

Sachverhalt

Am 23.04.2019 kippte ein im Eigentum der Fa. Eins stehendes Baustellenverkehrsschild auf das Dach des Fahrzeugs des Klägers.

Das Schild war „vorinstalliert‟ aufgrund von Bauarbeiten, die ein städtisches Unternehmen für die Zeit vom 29.04.2019 bis zum 30.04.2019 in Auftrag gegeben hatte. Die Bauarbeiten – inklusive Umsetzung der verkehrsrechtlichen Anordnung gemäß § 45 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 6 StVO – sollte die Fa. Zwei durchführen. Weil die Fa. Zwei nicht genügend eigene Schilder im Bestand hatte, hatte sie aufgrund eines bestehenden Rahmenvertrages mit der Fa. Eins vereinbart, dass diese ihr Schilder zur Verfügung stelle. Das war in der Form vereinbart, dass Fa. Eins die bei ihr zu leihenden Verkehrsbeschilderungen vorher am Rand der aus dem beigefügten Plan erkennbaren Beschilderungsstellen abstellen möge. Fa. Zwei werde sich die benötigten Schilder dann später vom Straßenrand in die Baustelle ziehen

Fa. Eins hatte die von ihr gestellten Schilder angeliefert.

Zum Zeitpunkt des Umfallens waren die Schilder so aufgestellt, dass die Schildflächen sowohl parallel zu den langen Seiten der Fußplatten als auch parallel zum Bordstein ausgerichtet waren. Anders ausgedrückt: der fließende Verkehr blickte beim Heranfahren auf „die Ränder der Schilder‟ einerseits und auf die kurzen Seiten der Fußplatten andererseits.

Streitig war einerseits, ob das Amtshaftungsprivileg greife, und andererseits, ob ggfls. keine Haftung bestünde, weil Dritte eingegriffen hätten.

Entscheidung

Das Landgericht Wuppertal hat die Klage gegen das städtische Unternehmen und die Fa. Zwei abgewiesen. Verantwortlich sei Fa. Eins, der der Kläger den Streit verkündet hatte.

1. Das Amtshaftungsprivileg könne zwar grundsätzlich greifen bei der Beschilderung (BGH, Urteil v. 06.06.2019 – III ZR 124/18) von Baustellenbereichen. Vorliegend seien die Schilder aber bereits vor Baubeginn und vor Beginn der verkehrsrechtlichen Anordnung aufgestellt und – entscheidend – umgefallen. Das stehe einer Amtshaftung entgegen:

Die Tätigkeit der Streithelferin steht damit sachlich lediglich in einem mittelbaren Zusammenhang mit den übertragenen Hoheitsaufgaben der Beklagten zu 3), und in zeitlicher Hinsicht in gar keinem. Schäden, die in dieser, hier zu bewertenden Situation durch die Verletzung der während einer solchen Tätigkeit zu beachtenden Sorgfaltspflichten entstehen, können der Allgemeinheit nach der Rechtsauffassung der Kammer nicht angelastet werden.

2. Unbekannte Dritte schließt das LG Wuppertal im vorliegenden Fall nach umfassender Gesamtwürdigung als Ursache des sachwidrigen Aufstellens aus. Richtig ist allerdings, dass das LG Wuppertal dies in die ernste Überlegung aufgenommen hat. Und so ist es nach dem (unveröffentlichten) Hinweis des OLG Hamm vom 12.08.2022 (SR 001646-2021) auch so, dass der jeweilige Anspruchsteller diese Möglichkeit ausräumen muss. Denn für eine Pflichtverletzung gibt es keinen Rechtsschein / keine Vermutung: „Der Kläger hat die Möglichkeit, wie auch in der Unfallmitteilung, wonach ein Dritter die Absperrung verstellt hat, nicht ausgeräumt.‟ 

image_pdf