Björn Kieckhäfer

Eine an sich geschuldete Mängelbeseitigung kann unverhältnismäßig sein!

OLG Koblenz Urteil vom 24.06.2021 – 2 U 391/19

BGH: Beschluss vom 10.08.2022 – VII ZR 632/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein Rohbauunternehmen und war durch den Beklagten (Bauherr) mit der Erstellung von Rohbauarbeiten eines neu zu errichtenden Gebäudes beauftragt. Mit der Klage begehrte sie die Zahlung des ausstehenden Werklohns für die ihrerseits erbrachte Leistung. Nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien schuldete die Klägerin die Ausführung einer hinterlüfteten Klinkerfassade. Das Leistungsverzeichnis wies hierzu eine Hinterlüftung von 40 mm aus. Der beklagte Bauherr behauptete im Rahmen des Rechtsstreits unter anderem, dass die Wärmedämmung nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden sei, da die vertraglich vereinbarte Hinterlüftung nicht durchgängig die vereinbarte Stärke von 40 mm aufwies. Aus diesem Grund bestehe potentiell die Möglichkeit, dass Feuchtigkeit aufgenommen und dadurch die Dämmeigenschaft reduziert werden könne.

Der vom Landgericht Koblenz bestellte Sachverständige gelangte im Rahmen seiner Begutachtung zu dem Ergebnis, dass die zwischen den Parteien unstreitig vereinbarte Ausführung der Hinterlüftung von 40 mm zwar nicht durchgehend vorhanden sei, aus technischer Sicht jedoch gleichwohl keine funktionelle Beeinträchtigung zu befürchten sei. Das Landgericht Koblenz sprach der Klägerin den geltend gemachten Werklohnanspruch zu.

 

Entscheidung

Mit Urteil vom 24.06.2021 bestätigt das OLG Koblenz (Az.: 2 U 391/19) die landgerichtliche Entscheidung hinsichtlich des gerügten Mangels. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 10.08.2022 (Az.: VII ZR 632/21) zurückgewiesen.

Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts kann sich der Beklagte im vorliegenden Fall nicht darauf berufen, dass im Rahmen des Vertrags die Ausbildung einer Luftschicht von 40 mm zwischen den Parteien vereinbart wurde. Denn auf diesen Umstand kommt es nach Auffassung des Oberlandesgerichts überhaupt nicht an. Die durchgehende Ausführung einer Hinterlüftung von 40 mm ist insbesondere nicht als Beschaffenheitsvereinbarung zu werten, da ein isoliertes Interesse des Bestellers an der (durchgängigen) Ausführung von 40 mm nicht erkennbar sei. Nach Auslegung der bestehenden Interessenlage werde von Seiten des Bestellers lediglich eine ordnungsgemäß funktionierende Wärmedämmung erwartet. Demnach besteht zugunsten des Beklagten kein Nacherfüllungsanspruch gegenüber der Klägerin. Dies gilt selbst dann, wenn die Hinterlüftung – trotz Festschreibung im Leistungsverzeichnis – nicht durchgehend mit 40 mm ausgeführt wurde. Erforderlich ist dann jedoch, dass die Wärmedämmung funktionsfähig ist, die nachträgliche Herstellung der vereinbarten Leistung mit einem objektiv geringen Interesse des Bestellers einhergeht und diesem Mangelbeseitigungswillen ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht.

Da der gerichtlich bestellte Sachverständige im Rahmen seiner Begutachtung zu dem Ergebnis gelangte, dass die hergestellte Wärmedämmung den allgemein anerkannten Fachregeln entspricht und damit als solche mangelfrei errichtet wurde, sah das Gericht diese Voraussetzungen im konkreten Fall als gegeben an. Die Mangelbeseitigung hätte letztlich den vollständigen Abriss und die Neuerrichtung der Fassade erfordert. Da die erbrachte Leistung jedoch uneingeschränkt funktionstüchtig ist, besteht aus Seiten des Bestellers kein nachvollziehbares Interesse an der Beseitigung eines etwaigen Mangels. Der Auftraggeber muss daher die vorhandene Abweichung hinnehmen.

 

Praxishinweis

Der vorliegende Fall verdeutlicht, dass im Ausnahmefall eine Mängelbeseitigung auch unverhältnismäßig sein kann. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der gerügte Mangel von untergeordneter Bedeutung ist, die Mangelbeseitigung hingegen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand herbeigeführt werden könnte und der Unternehmer die Unverhältnismäßigkeitseinrede erhebt.

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