Erfasst eine Mängelrüge am Neubau auch Feuchtigkeitsschäden am Altbau?

OLG Naumburg, Urteil vom 5.8.2016 — Aktenzeichen: 7 U 17/16

Leitsatz
1.Die verlängerte Verjährung nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B umfasst die Ursachen der gerügten Mängelerscheinung vollständig und erstreckt sich auch auf die Bereiche, in denen sich die Mängelerscheinungen bislang noch nicht gezeigt haben.
2. Bei einem einheitlichen Bauvertrag gilt das auch für Feuchtigkeitserscheinungen an einem Altbau und dem vorgesetzten Neubau.
3.Der Mangelidentität der jeweils unzureichend hinterlaufsicheren Abdichtung des Daches von Alt- und Neubau steht es nicht entgegen, dass die Wandanschlüsse im Detail konstruktive Unterschiede aufweisen.

Sachverhalt
Die Klägerin nahm die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Sie machte geltend, die Beklagte habe wegen einer mangelhaften Abdichtung des Daches die Mängelbeseitigungskosten sowie weitergehende Schäden zu ersetzen.

Dem Rechtsstreit lag die Errichtung eines Erweiterungsbaus sowie eines Anbaus an das Bestandsgebäude der Klägerin aus dem Jahr 2005 zugrunde. Es unterteilte sich in den Neubau, einen Anbau und Umbaumaßnahmen am Bestandsgebäude. Die Parteien vereinbarten eine fünfjährige Gewährleistungsfrist sowie die Einbeziehung der VOB/B. Die Klägerin nahm die Arbeiten am 20.12.2006 ab.

Im Jahre 2009 rügte die Klägerin erstmals gegenüber der Beklagten Mängel am Neubau des Gebäudes aufgrund einer Undichtigkeit des Daches.

Erstmals am 05.06.2013 rügte die Klägerin auch Mängel im Hinblick auf den Anbau. Sie machte geltend, dass die Anschlüsse an den aufgehenden Bauteilen nicht den anerkannten Regeln der Technik (Flachdachrichtlinien) entsprächen.

Die Beklagte verteidigte sich neben vielen anderen Argumenten mit der Einrede der Verjährung. Insbesondere sei die Mängelrüge im Jahr 2013 bezüglich des Altbaus in rechtsverjährter Zeit erfolgt. Eine Hemmung der Verjährung könne nicht dadurch eingetreten sein, dass die Klägerin Mängel am Neubau gerügt habe.

Das Landgericht gab der Klage auf Schadensersatz in vollem Umfang statt. Hiergegen richtete sich die Berufung der Beklagten.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht Naumburg bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung des Landgerichts. Es wies darauf hin, dass unter Anwendung der “Symptomrechtsprechung“ die Mängelrügen und Nachbesserungsarbeiten betreffend den Neubau auch für den erstmals im Jahr 2013 in Erscheinung getretenen Abdichtungsmangel des Anbaus Bedeutung gewonnen habe. Es habe ausgereicht, dass der Werkmangel im Hinblick auf eine Mängelerscheinung beschrieben worden sei. Mit dieser beschriebenen Mängelerscheinung werde auch jeweils der der Mängelerscheinung zugrunde liegende Mangel erfasst. Regelmäßig sei eine Beschränkung auf die angegebene Schadensstelle oder die vom Auftraggeber bezeichnete oder vermutete Ursache gegeben. Vielmehr erfasse eine Mängelrüge sämtliche Ursachen und erstreckte sich dabei auch auf die Bereiche, in denen sich die Mängelerscheinungen bislang noch nicht gezeigt hätten. Die Angaben einer Stelle, an der Wasser in einen Raum eingetreten sei, sei deshalb nur als Hinweis auf einen festgestellten Schaden, nicht aber auch als Begrenzung des Mängelbeseitigungsverlangens zu verstehen. Hier habe die Klägerin erstmals im Jahre 2009 bestimmte Feuchtigkeitserscheinungen bezüglich des Neubaus beanstandet. Die Mängelrüge habe sich nicht auf eine bestimmte Schadensstelle räumlich beschränkt, sondern die mangelhafte Abdichtung des Wandanschlusses zum Gegenstand gehabt. Dies habe für beide Bauteile des Bauvorhabens Bedeutung. Denn hier sei von einem Systemmangel auszugehen. Beide Feuchtigkeitserscheinungen — sowohl am Altbau als auch am Neubau — beruhten letztlich auf einer unzureichend hinterlaufsicheren Abdichtung des Daches.

Dass die Mangelerscheinungen an verschiedenen Bauteilen zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgetreten seien, schließe nicht aus, dass bei dem Vorliegen desselben Ausführungsfehlers von einem identischen Mangel auszugehen sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Anschlüsse im Aufbau gewisse konstruktive Unterschiede aufwiesen.

Das Oberlandesgericht hielt im Ergebnis die geltend gemachten Schadensersatzansprüche für nicht verjährt.

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