Bauherr beseitigt Mängel selbst und verliert Ansprüche gegen den Unternehmer

OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.10.2013 — Aktenzeichen: 22 U 81/13

Leitsatz
An die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung durch den Auftragnehmer sind strenge Anforderungen zu stellen. Sie liegt nicht bereits ohne Weiteres in dem Bestreiten von Mängeln, denn dies ist ein prozessuales Recht des Unternehmers, solange seine Verteidigung — unter Berücksichtigung des versprochenen Werkerfolgs bzw. des konkreten Mangeleinwandes — nicht „aus der Luft gegriffen“ ist bzw. dem Auftragnehmer deren Haltlosigkeit — etwa mit Hilfe eines Sachverständigen — einsichtig gemacht worden ist. Der Auftragnehmer muss eindeutig zum Ausdruck bringen, er werde seinen Vertragspflichten nicht nachkommen; es muss daher als ausgeschlossen erscheinen, dass er sich von einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung noch umstimmen lässt. Das Bemühen des Auftragnehmers um eine gütliche Einigung und eine damit verbundene „Gesprächsbereitschaft“ stehen der Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung regelmäßig entgegen.

Sachverhalt
Die Klägerin führt bei dem Beklagten Bodenbelagsarbeiten aus. Aus Sicht des Beklagten weist der Boden Mängel auf. Er wendet sich daher an die Klägerin. Es ist streitig, ob es sich tatsächlich um Mängel handelt oder bloße hinzunehmende „Schönheitsfehler“. Die Klägerin holt ein Gutachten ein und bietet dem Beklagten die dort beschriebenen Maßnahmen an. Zudem weist die Klägerin darauf hin, dass vor Eigenmaßnahmen des Beklagten eine Beweissicherung erforderlich sei.

Der Beklagte setzt der Klägerin keine Frist zur Nachbesserung.

Der Beklagte lässt den Boden entfernen und neu verlegen. Sodann erklärt er mit den dadurch entstandenen Kosten die Aufrechnung gegen den Werklohnanspruch der Klägerin und macht wegen des darüber hinaus gehenden Betrages Schadensersatzansprüche geltend. Der Beklagte ist der Auffassung, er habe der Klägerin keine Frist zur Nachbesserung setzen müssen. Aus der Korrespondenz ergebe sich, dass eine solche Frist „bloße Förmelei“ gewesen sei. Denn die Klägerin habe vorprozessual erklärt, die gerügten Mängel des neu verlegten Fußbodens nur nach einer gerichtlichen Klärung akzeptieren zu können und ihn — den Beklagten — auf prozessuale Nachteile (Beweisvereitelung) im Falle einer Ersatzvornahme vor Abschluss der Beweissicherung hingewiesen. Daraus ergebe sich eindeutig, dass eine Fristsetzung entbehrlich gewesen sei.

Entscheidung
Dieser Auffassung folgen das Land- und Oberlandesgericht nicht. Sie verurteilen den Beklagten zur Zahlung restlichen Werklohns. Seine (zur Aufrechnung gestellten) Schadensersatzansprüche seien unbegründet.

Das Oberlandesgericht arbeitet im Rahmen der Entscheidung die Kriterien für die Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung heraus.

Zunächst sei es das prozessuale Recht des Unternehmers, Mängel zu bestreiten. Daraus könne mithin nicht eine endgültige Verweigerung der Nacherfüllung erblickt werden. Hiervon könne man allenfalls dann ausgehen, wenn die Argumente des Unternehmers ersichtlich „aus der Luft gegriffen seien“, was zum Beispiel der Fall sein könne, wenn mit Hilfe eines Gutachtens die Einwände widerlegt worden seien.

Insgesamt müssen nach Auffassung des OLG zusätzlich zum Bestreiten der Mängel weitere Umstände vorliegen; der Auftragnehmer muss deutlich machen, dass er seinen Vertragpflichten nicht nachkommen werde. Es müsse ausgeschlossen sein aus Sicht des Auftraggebers, dass der Unternehmer sich von einer gesetzten Nachfrist noch umstimmen lasse. Ferner setze eine endgültige (Nach-)Erfüllungsverweigerung seitens des Auftragnehmers regelmäßig voraus, dass der Auftraggeber ihn überhaupt mit dem notwendigen Inhalt (insbesondere ohne unzulässige Bedingungen bzw. Einschränkungen) zur Nacherfüllung aufgefordert habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich dem Unternehmer überlassen bleibe, in welchem Umfang und auf welche konkrete Weise er einen Baumangel beseitigen wolle. Da er das Risiko seiner Arbeit trage und die Gewähr für den Werkerfolg habe, müsse er grundsätzlich auch alleine entscheiden können, auf welche Weise er vom Auftraggeber behauptete Mangelerscheinungen und Ursachen dauerhaft beseitigen wolle.

In dem zu entscheidenden Fall seien diese Voraussetzungen nicht gegeben. Die Klägerin habe lediglich auf die Einhaltung der Ebenheitstoleranzen der DIN 18202 bzw. 18365 -hingewiesen und geltend gemacht, dass nur bei starkem Lichteinfall einseitig zu sehende Kellenschläge — unter Berücksichtigung der Funktion des Raumes — nicht dazu berechtigten, den kompletten Rückbau des Bodenbelags zu verlangen. Eine Verweigerung von jeglichen sonstigen Maßnahmen seitens der Klägerin (d.h. mit Ausnahme des kompletten Rückbaus) beinhalte die Korrespondenz nicht, erst recht keine ernsthafte und endgültige Verweigerung einer Nacherfüllung entsprechend der erläuterten strengen Grundsätze.

Hier sei die Klägerin zum vollständigen Bodenaustausch aufgefordert worden. Daraus lasse sich nicht entnehmen, dass eine Frist zur Nachbesserung in der gebotenen Art und Weise gesetzt worden sei. Die Schreiben der Klägerin ließen zudem erkennen, dass grundsätzlich Einigungsbereitschaft bestand..

Mithin sei der Beklagte — nachdem er die von ihm behaupteten Mängel der Werkleistung selbst, ohne dem Werkunternehmer zuvor eine erforderliche hinreichende Möglichkeit zur etwaig erforderlichen Nacherfüllung gegeben zu haben, beseitigt habe — mit Gewährleistungs- bzw. Ersatzansprüchen aus allen dafür etwaig in Betracht kommenden Rechtsgründen ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2005, VIII ZR 100/04, BGHZ 162, 219, dort zu Rn 20 ff. mwN). Der abschließende Charakter der gesetzlich normierten Gewährleistung verbiete insbesondere eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung von § 326 BGB bzw. der Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. des Bereicherungsrechts

Praxishinweis
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf verdeutlicht, wie wichtig eine formal korrekte Vorgehensweise bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen ist. Für den Auftraggeber bedeutet dies, dass er dem Auftragnehmer im Regelfall die Möglichkeit der Nachbesserung unter Fristsetzung einräumen muss.

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