Der fingierte Verkehrsunfall mal anders
OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2014 — Aktenzeichen: I-6 U 24/14
Sachverhalt
Der Kläger begehrt Schmerzensgeld aus einem vom eigenen Fahrer verschuldeten Verkehrsunfall, bei dem er als Beifahrer zu Schaden gekommen ist. Streitig war zwischen den Parteien allein, ob es sich um eine Privatfahrt oder eine betrieblich veranlasste Fahrt handelte, bei der Schadensersatzansprüche gegenüber dem Fahrer gem. den §§104, 105 SGB VII ausgeschlossen gewesen wäre.
Die beklagte Haftpflichtversicherung hat eine Reihe vom Indizien angeführt, die für eine betrieblich veranlasste Fahrt sprachen. Der beklagte Fahrer hat sich überhaupt nicht eingelassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Entscheidung damit begründet, dass ein Haftungsausschluss gegeben sei. Hierzu hat es die Grundsätze zu manipulierten Verkehrsunfällen auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn nach seiner Auffassung hat eine ungewöhnliche Häufung von Indizien dafür gesprochen, dass die Parteien, also Fahrer und Beifahrer, die Darstellung einer Privatfahrt abgesprochen hätten, um dem Haftungsausschluss zu Lasten der beteiligten Haftpflichtversicherung zu entgehen.
Entscheidung
Das OLG Hamm hat die Entscheidung aufgehoben.
Nach seiner Auffassung sind die Grundsätze der manipulierten Verkehrsunfälle nicht auf andere Konstellationen übertragbar. Denn die Rechtsprechung zur Unfallmanipulation trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei der Einwilligung in einen Verkehrsunfall um einen in betrügerischer Absicht vorgenommenen und für den geschädigten Versicherer nur schwer nachweisbaren Vorgang handelt, weil die Beteiligten an der gemeinsamen Absprache von vorne herein bedacht sind, ihre Absicht geheim zu halten.
Für Beweiserleichterungen, die über die Möglichkeit der Führung eines Indizienbeweises hinaus gehen, besteht dagegen bei der betrieblichen Veranlassung einer zum Schaden führenden Tätigkeit im Sinne des § 105 SGB VII keine Veranlassung. Es handelt sich dabei nämlich in der Regel um ein objektiv nachweisbares Geschehen, dessen Geheimhaltung von den Beteiligten nicht von vorne herein gewollt oder geplant ist.
Die beklagte Haftpflichtversicherung hätte daher den positiven Nachweis zu führen gehabt, dass es sich um eine betrieblich veranlasste Fahrt handelte, was ihr allein über die Darlegung der Indizien nicht gelungen ist, zumal auch der beklagte Fahrer in seiner persönlichen Anhörung in zweiter Instanz von einer Privatfahrt ausging.
Das Urteil hat auch für andere Rechtsbereiche Relevanz. Denn Absprachen, die zur nachträglichen Annahme oder gerade Nichtannahme von Haftungsausschlüssen und anderen Tatbestandsmerkmalen (z.B. Mitverschulden) führen, sind keine Seltenheit. Dennoch verbleibt die volle Beweislast für das Gegenteil bei demjenigen, der an der Absprache nicht beteiligt ist.