Begutachtung durch den MDK hemmt Verjährung nicht

BSG, Urteil vom 19.9.2013 — Aktenzeichen: B 3 KR 30/12 R

Sachverhalt
In dem klagenden Krankenhaus wurde im Jahr 2004 der Versicherte der beklagten Krankenkasse wegen einer Diabetes-Erkrankung behandelt. Ihm wurde dort der Fuß amputiert. Infolge einer Kassenprüfung durch das Bundesversicherungsamt wurde der Behandlungsfall im Auftrag der beklagten Krankenkasse durch den Medizinischen Dienst untersucht. Der Auftrag erfolgte im Oktober 2008, was der Klägerin auch angezeigt wurde. Der medizinische Dienst stellte eine Fehlabrechnung fest, weshalb die Beklagte gegen einen unstreitigen Vergütungsanspruch des klagenden Krankenhauses aus der Behandlung eines anderen Versicherten aufrechnete. Hiergegen klagte das Krankenhaus und verlangte seine volle Vergütung.

Nach einer Klageabweisung in der I. Instanz wies auch das Sächsische Landessozialgericht (Az: L 1 KR 113/10) die Berufung der Klägerin zurück, da die Kürzung des Vergütungsanspruchs berechtigt gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der im Jahr 2009 zur Aufrechnung gestellte Anspruch (vierjährige Verjährungsfrist gem. § 45 Abs. 1 SGB I) nicht verjährt gewesen. Denn die Einleitung des Begutachtungsverfahrens durch den Medizinischen Dienst habe die Verjährung entsprechend § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB gehemmt.

Entscheidung
Das Bundessozialgericht hob die vorhergehenden Entscheidungen auf, da die von der Beklagten erklärte Aufrechnung unwirksam war. Der Erstattungsanspruch der Beklagten war schon im Jahr 2009 nach Auffassung des BSG dauerhaft nicht mehr durchsetzbar. Dieser war nämlich zum 31.12.2008 verjährt.

Während für das Sozialrecht grundsätzlich andere Verjährungsregeln und Regelungen über den Verjährungsbeginn gelten, finden die Vorschriften des BGB über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung über § 45 Abs. 2 SGB I entsprechende Anwendung.

Die vom LSG noch herangezogene Wertung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB, wonach die Verjährung durch die Einleitung eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens gehemmt sei, war jedoch nach Auffassung des BSG vorliegend nicht einschlägig. Denn das MDK-Prüfverfahren nach § 275 SGB V stellt kein „vereinbartes Begutachtungsverfahren“ dar. Mit der Beauftragung des MDK ist die Beklagte lediglich ihrer im Gesetz verankerten öffentlich-rechtlichen Pflicht gefolgt, Plausibilität und Wirtschaftlichkeit der von ihr vergüteten Behandlung nachhaltig zu überprüfen. Grundlage war eben nicht eine Vereinbarung mit dem Krankenhausträger. Daran änderte es nichts, dass die beklagte Krankenkasse das Krankenhaus über die Einleitung des Verfahrens informiert hat.

Auch eine analoge Anwendung der Regelung des § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB scheidet nach Auffassung des BSG in der vorliegenden Konstellation aus.

Praxishinweis
Die Wertung des BSG ist auf zivilgerichtliche Verfahren uneingeschränkt übertragbar. Die Einleitung eines Begutachtungsverfahrens beim MDK ist weder gleichzusetzen mit der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB) noch mit der Vereinbarung eines Begutachtungsverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB), wenn nicht eine ausdrückliche Vereinbarung vorliegt.

Nicht übersehen werden sollte jedoch, dass die Verjährung vieler Ansprüche gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich erst mit der Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen zu laufen beginnt. Diese kann sich im Einzelfall erst aus dem Inhalt des MDK-Gutachtens ergeben, welches eine unsachgemäße Behandlung oder Pflege nachweist.

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