Pflicht zur mündelsicheren Anlage

LG Flensburg, Urteil vom 19.07.2019 — Aktenzeichen: 2 O 365/16

Sachverhalt

Am 26.12.2000 verstarb der Erblasser. Dieser hatte bereits vor seinem Tod mit der Beklagten darüber gesprochen, dass es sein Wunsch sei, dass seine Tochter nach seinem Tod in die Familie der Beklagten aufgenommen werde. Betroffen war die schwerstbehinderte Tochter, die eine 24-Stunden-Betreuung benötigte und testamentarisch vom Erblasser als befreite Vorerbin eingesetzt worden war. Noch im Dezember 2000 wurde die Beklagte vom Amtsgericht als Betreuerin bestellt, wobei die Betreuung auch die Vermögenssorge umfasste.

Im März 2001 war ein Vermögen von 4,7 Mio. DM vorhanden, zum 01.01.2002 etwa 2,2 Mio. Euro, wobei es sich bei etwa 1,7 Mio. Euro um liquides Vermögen handelte. Im Juni 2002 schloss die Beklagte eine Haftpflichtversicherung im Hinblick auf die Vermögensverwaltung ab und begann, Veränderungen im Anlagevermögen der Tochter vorzunehmen. Im Zeitpunkt des Todes der Tochter betrug das liquide Vermögen nur noch 157.788,21 Euro. Der Anteil mündelsicherer Anlagen im Vermögen der Tochter betrug zum 01.01.2002 1,32 %, im Jahr 2005 6,78 %, im Jahr 2008 31 %, im Jahr 2011 55,9 % und im Jahr 2013 70 %.

Der Kläger -nahm die Beklagte nach dem Versterben der Tochter als Nacherbe in Anspruch. Er behauptete, durch fehlerhafte Vermögensverwaltung sei ein Verlust in Höhe von mindestens 336.000,00 € entstanden. Dabei legte er zugrunde, dass schon seit dem 01.01.2002 70 % des liquiden Vermögens mündelsicher hätten angelegt werden können; bei Zugrundelegung eines Überlegungszeitraumes von etwa drei bis sechs Monaten hätte das Anlagevermögen insoweit besser abgesichert werden müssen.

Entscheidung

Das Landgericht hat die Klage, soweit sie auf Ersatz entsprechender Schäden gerichtet war, abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts hat die Betreuerin keine Pflichten verletzt, auch wenn sie nicht nach einem Zeitraum von drei bis sechs Monaten das gesamte Anlagevermögen in eine mündelsichere Anlage überführt hat.

Nach Auffassung des Landgerichts führt die Pflicht zur mündelsicheren Anlage nicht dazu, dass ein Betreuer, der nicht mündelsicher angelegtes Vermögen vorfindet, dieses kurzfristig insgesamt in eine mündelsichere Anlage umzuwandeln hat. Vielmehr hat der Betreuer im Einzelfall und nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob er die vorhandene Anlage in eine mündelsichere Anlage umwandelt, was nach Ansicht des Landgerichts daraus folgt, dass grundsätzlich die Vermögensverwaltung im Interesse des Bertreuten fortgeführt werden soll und dessen eigene Entscheidung für bestimmte Anlagenformen respektiert werden sollen. Nach Auffassung des Landgerichts gilt vorliegend dasselbe für die vom Vater der Betreuten gewählten Anlageformen, die es zu respektieren galt.

Obwohl die Beklagte dann im Anschluss doch die Anlageentscheidungen geändert hatte, stellte dies im vorliegenden Fall keine Pflichtverletzung dar. Nach Auffassung des Landgerichts erforderte gerade die Verwaltung eines umfangreichen Vermögens Anlageentscheidungen, die nicht im Voraus für viele Jahre getroffen werden können, sondern regelmäßig aktualisiert werden müssen. Insofern kam das Landgericht zu dem Ergebnis, dass es weder eine feste Quote noch einen bestimmten Zeitraum gibt, innerhalb dessen das Vermögen mündelsicher angelegt werden müsste. Vielmehr handele es sich bei der Vermögensverwaltung um eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen, die jeweils lediglich nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen hätte. Wer deshalb Schadensersatzansprüche geltend machen will, muss sich mit sämtlichen im Depot vorhandenen Anlagen auseinandersetzen und für jede einzelne Anlage substantiiert darlegen, warum diese zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form hätte verändert werden müssen, bzw. für eine vorgenommene Veränderung darstellen, warum diese Veränderung nicht hätte vorgenommen werden müssen.

 

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