Vertrag oder Akquise – einmal umgekehrt!

 

Ob der Architekt oder Ingenieur schon einen gültigen Vertrag hat oder noch unverbindlich im Rahmen der Akquise tätig ist, lässt sich oft schwer abgrenzen. Meistens läuft dann der Planer einer Vergütung für erbrachte Leistungen hinterher. Aber auch die umgekehrte Fallgestaltung kommt vor, wie im aktuellen Urteil des OLG Hamm.

 

Sachverhalt

Der Bauherr errichtet ein Ärztezentrum. Ein Fachingenieur für TGA ermittelt im April 2007 Kosten auf der Basis vorliegender dritter Planungen im Auftrag des potenziellen Generalunternehmers. Danach erbringt der Fachingenieur für den Bauherrn schon punktuelle Tätigkeiten; gleichzeitig wird zwischen Mai 2007 und August 2007 auf Basis mehrerer schriftlicher Angebote über den Auftrag verhandelt. Ende August 2007 erteilte Bauherr dem Fachingenieur schriftlich den Auftrag.

Schon zuvor Juni und Juli 2007 werden für das noch zu errichtende Gebäude Mietverträge mit zahlreichen Ärzten abgeschlossen.

Die anfänglich angegebenen Kosten erweisen sich im weiteren Verlauf als wesentlich zu niedrig kalkuliert; es steht im Raum, dass der Fachplaner von Strangentlüftung ausgegangen ist, obwohl eine Einzelraumentlüftungsanlage erforderlich wurde. Der Bauherr nimmt den Fachingenieur in die Haftung, weil er bei einer richtigen Kostenangabe entweder von dem Bauvorhaben Abstand genommen hätte oder von den Mietern höhere Flächenmieten verlangt hätte.

 

Entscheidung

Das OLG Hamm weist die Klage auch in der Berufung ab (Urteil vom 14.10.2019, Az. 17 U 78/18 – inzwischen rechtskräftig).

Der Fachingenieur hat zwar nach schriftlicher Beauftragung an der Kostenermittlung nicht ausreichend mitgewirkt. Da jedoch zu diesem Zeitpunkt alle Mietverträge bereits fest abgeschlossen waren, hält das Gericht es für nicht glaubhaft, dass die diesem Zeitpunkt bei besserer Information das Projekt noch abgebrochen worden wäre. Schließlich war der Bauherr durch die langfristigen Mietverträge vertraglich längst in der Haftung.

Es kommt also wesentlich darauf an, ob schon die frühe Kostenangabe im April 2007 eine Haftung auslösen konnte. Denn zu diesem Zeitpunkt hätte eine Information darüber, wie teuer die Entlüftung wirklich wird, dem Bauherrn wohl noch die realistische Möglichkeit verschafft, das Bauvorhaben durch höhere Mieten wirtschaftlich zu machen oder aber gar nicht durchzuführen.

Hierfür ist entscheidend, ob zwischen den Parteien zu diesem Zeitpunkt bereits ein Ingenieurvertrag bestand. Das OLG Hamm wendet die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für eine Abgrenzung von Akquiseleistungen an: Weil die Kostenangabe im Auftrag des Generalunternehmers erfolgte und bei den weiteren punktuellen Leistungen gerade über einen schriftlich abzuschließenden Vertrag verhandelt wurde, kommt das OLG zu dem Ergebnis, dass eine vertragliche Bindung erst mit Unterzeichnung des schriftlichen Ingenieurvertrages Ende August 2007 entstand. Damit scheidet eine Haftung wegen mangelhafter Ausführung aus.

 

Praxishinweis

Merke: Wer zu einem bestimmten Zeitpunkt noch keine vertraglichen Pflichten übernommen hat, der kann auch nicht für eine mangelhafte Erfüllung haften. Die Abgrenzung zur Akquise, die in Honorarfragen den Architekten und Ingenieuren oft Schwierigkeiten macht, wirkte sich hier einmal positiv aus. Die Kriterien sind jedoch dieselben:

Allein das Tätigwerden des Ingenieurs für den Bauherrn lässt noch keinen Schluss auf eine Beauftragung zu, auch nicht, wenn bereits erhebliche Teilleistungen erbracht worden sind. Eine Verwertung der Ingenieurleistungen spricht als Indiz für eine rechtsgeschäftliche Beauftragung, die reine Entgegennahme von Leistungen nur bei erheblichem Umfang (Leistungsphase 1+2 komplett). Gegen eine Beauftragung spricht es, wenn die Parteien über eine schriftliche Auftragserteilung verhandeln, weil dann im Zweifel der Vertrag noch nicht geschlossen ist, bevor die schriftliche Vereinbarung zustande kommt.

Es handelt sich allerdings immer um eine Frage des Einzelfalls mit vielen Facetten. Beweisen muss den Vertragsschluss derjenige, der daraus etwas herleiten möchte (z. B. Honorar oder eben eine Haftung des Ingenieurs).

(Dr. Harald Scholz, Hamm)

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift tab- Technik am Bau (hier ansehen)
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