Verkehrssicherung an Waldwegen

OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.3.2017 — Aktenzeichen: 4 U 126/16

Die Naherholung im Wald birgt Gefahren. Die Wander- und Waldwege sind häufig naturbelassen. Stürzt jemand auf einem solchen Waldweg, stellt sich die Frage der Haftung. Das OLG Saarbrücken setzt die Rechtsprechung fort, dass man für waldtypische Gefahren grundsätzlich nicht haftet.

Leitsatz
1. Im Saarland haftet im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 02.10.2012 — VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 ff.) der Waldbesitzer auch bei Unfällen auf so genannten Premiumwanderwegen grundsätzlich nur für atypische Gefahren, nicht aber für waldtypische Gefahren.

2. Der Geschädigte hat darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass eine atypische Gefahr vorliegt und der Schaden auf einer unfallursächlichen und schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung beruht .

Sachverhalt
Die Klägerin verklagt die Gemeinde auf Schadensersatz. Sie sei auf einem Waldweg an einer Holztreppe gestürzt; auf der ersten Stufe von oben kommend habe mittig ein circa 3 cm großer Holzpflock in einer Höhe von circa 10 cm aus dem Boden geragt. Dieser Holzpflock sei nicht erkennbar gewesen, weil die gesamte Treppe mit Laub bedeckt gewesen sei. Die Klägerin, die festes Wanderschuhwerk getragen habe, sei über diesen oben abgeschnittenen Holzpflock gestürzt und habe sich verletzt. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Gestürzt sei die Klägerin nicht über eine natürlich gewachsene, flachliegende Wurzel, sondern einen herausragenden Holzpfahl. Außerdem habe ein Geländer gefehlt.

Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.

Auf Wanderwegen können nicht sämtliche Gefahren ausgeschlossen werden. Würde man eine völlige Gefahrlosigkeit der Wanderwege fordern, müsste man auf reizvolle Routen im Bergland ebenso wie auf einsame Waldpfade im Flachland aus Haftungsgründen verzichten. Grundsätzlich muss derjenige, der sich in die Natur begibt, mit allen Unwägbarkeiten und Gefahren rechnen. Welche Vorkehrungen bei Wanderwegen im Einzelfall zum Schutz von Leben und Gesundheit zu treffen sind, bestimmt sich nach der Gefahrensituation unter Berücksichtigung des normalen Benutzerkreises. Abzustellen ist dabei auf den durchschnittlichen Wanderer, bei dem man neben guter Kondition auch ein Maß an Erfahrung und Vorsicht voraussetzt. Hingegen können weder der Spaziergänger noch der routinierte Bergwanderer den Maßstab geben. Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht richten sich ferner nach dem Zweck der Einrichtung, mithin nach dem Verkehr, dem der Weg dient. Dieser Zweck wird unter anderem bestimmt durch wegepolizeiliche Anordnungen und die tatsächliche Beschaffenheit des Weges. Von Bedeutung sind weiter die Leistungsfähigkeit des Sicherungspflichtigen sowie die Zumutbarkeit von Maßnahmen.

Waldbesitzer haften grundsätzlich nur für atypische Gefahren, nicht aber für waldtypische Gefahren. Dies gilt auch für Waldwege. Auf der Grundlage des eigenen Sachvortrags der Klägerin ist die vorstehend genannte Haftungsbeschränkung zu beachten. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren an Waldwegen verantwortlich ist, kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn diese stark frequentiert werden.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend keine Verkehrssicherungspflichtverletzung gegeben.

Ein Geländer habe nicht gefehlt. Im Wald stellen selbst unbefestigte und ungesicherte Böschungen für den vorsichtigen Benutzer eines Weges keine unvorhergesehene Gefahrenquelle dar. Eine derartige Situation ist auf Waldwegen nicht ungewöhnlich, sondern alltäglich. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass die Wegränder uneben, ausgewaschen und abschüssig sein können. Dies alles ist dem Durchschnittsspaziergänger und -wanderer bekannt. Er weiß auch, dass abfallende Stellen durch den Laubfall im Herbst oft nicht sofort zu erkennen sind, und muss diesen üblichen Gefahren durch besondere Vorsicht beim Ausweichen an den Wegrand begegnen. Diese Überlegungen müssen erst recht gelten, wenn es sich nicht um eine unbefestigte und ungesicherte Böschung handelt, sondern die Anforderungen und Gefahren für den Wanderer durch eine Abtretung des Höhenunterschieds, wie hier, geringer sind. Die Anbindung eines Geländers ist jedenfalls bei einem Waldweg, der mittels Abtretung einen Höhenunterschied überwindet, nicht erforderlich. Es wird nicht von jedermann erwartet und kann auch nicht erwartet werden, dass die Benutzung von Wanderwegen sich ähnlich unproblematisch gestaltet wie die Benutzung eines innerörtlichen Spazierwegs oder eines asphaltierten Wirtschaftsweges. Zweckbestimmung des Wanderweges ist es gerade, die geringere Ausbaustufe zugunsten der Naturbelassenheit hinzunehmen, um dem Wanderer ein möglichst unberührtes Bild von der Natur zu gewährleisten. Folglich muss der Verkehrssicherungspflichtige lediglich dafür Sorge tragen, dass die von den Benutzern gehegte Erwartung hinsichtlich der Qualität bzw. Ausbaustufe des Wanderweges nicht von dem abweicht, was im Blick auf bestimmte Gefahrenquellen vorgefunden wird.

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