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Recht im Winter I – die Dachlawine

LG Detmold, Urteil vom 15.12.2010 – 10 S 121/10
und
OLG Hamm, Beschluss vom 07.02.2012 – I-7 U 87/11

Sachverhalte:
Sowohl das Landgericht Detmold als auch das OLG Hamm hatten – jeweils als Berufungsgericht – Sachverhalte zu entscheiden, in denen eine Dachlawine von einem Haus abgingen, wobei Geschädigter jeweils ein Mieter des Gebäudeeigentümers war. Der Unterschied lag darin, dass im Fall des LG Detmold das Fahrzeug auf einem mit-vermieteten Parkplatz stand, während das OLG Hamm einen Sachverhalt zu entscheiden hatte, bei dem der Mieter auf öffentlicher Fläche vor dem Gebäude parkte.

Entscheidungsinhalte:

Das LG Detmold hat den Vermieter zu hälftigem Schadensersatz verurteilt. Denn wegen des Mietverhältnisses über den Parkplatz habe der Eigentümer besondere Pflichten gegenüber dem Mieter:

„Den Beklagten als Gebäudeeigentümer oblag eine Verkehrssicherungspflicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Dabei handelte es sich um eine besondere Verkehrssicherungspflicht, weil die Beklagten den Stellplatz an den Kläger vermietet hatten. Dadurch hat die Beklagte durch den speziell für den Mieter einer Wohnung ihres Hauses eingerichteten und unterhaltenen Parkplatz einen besonderen Verkehr eröffnet und damit auch eine besondere Verkehrssicherungspflicht übernommen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 27.04.2000, 22 U 90/98 mit weiteren Nachweisen). Die Beklagte hätte sich angesichts der M3 des vermieteten Stellplatzes zur Traufrichtung des Daches ihres Gebäudes und der Dachneigung bei den bestehenden Witterungsverhältnissen über die Wetterentwicklung auf dem Laufenden halten und Maßnahmen zur Sicherung der auf dem vermieteten Parkplätzen abgestellten oder abzustellenden Fahrzeuge ergreifen müssen. So hätte sie die Parkplätze sperren müssen oder zumindest Warnhinweise aufstellen müssen.‟

Das Landgericht Detmold verlangt ein Sperren des Parkplatzes oder ein Hinweisschild. Diese Rechtsansicht überzeugt nicht. Auch im Vertragsverhältnis darf grundsätzlich jeder darauf vertrauen, dass der Vertragspartner offensichtliche Umstände wahrnimmt und sich entsprechend verhält. Dann sind Hinweisschilder auch nicht erforderlich. Das ist in anderen Fallgestaltungen absolut herrschende Rechtsprechung und zwar auch im Rahmen von Verträgen:

„Der Senat hat noch erwogen, ob die Bekl. nicht jedenfalls durch eine entsprechende Beschilderung auf die vorhandene erhöhte Rutschgefahr hätte hinweisen müssen. Er hat auch das im Ergebnis verneint, weil nicht angenommen werden kann, daß von ihnen eine wesentliche Wirkung ausgeht. Denn daß in einem Hallenbad Rutschgefahren bestehen, ist dem Hallenbenutzer auch so bekannt. Im konkreten Fall hätte eine derartige Beschilderung sicher nichts bewirkt.‟

vgl. OLG Hamm, Urteil vom 23.02.1989, Az. 6 U 2/88 = NJW-RR 1989, 736

„Eines gesonderten Warnhinweises darauf, dass im Poolbereich mit Nässe zu rechnen sei, bedarf es nicht, da dies jedem einleuchten muss. Hinzu kommt, dass schon allein aufgrund der Größe der Wasserpfütze, in der die Klägerin ausrutschte, diese auch deutlich wahrnehmbar war.‟

vgl. Urteil des AG Rostock vom 24.08.2011, Az. 47 C 29/11

„Eine Hinweispflicht bestand nicht. Eine Solche ist nur dann anzunehmen, wenn eine Gefahrenquelle geschaffen oder aufrechterhalten wird und derjenige, der in den Einzugsbereich der Gefahrenquelle kommt, die Gefahrenquelle nicht erkennen kann. Den Betreiber einer öffentlich zugänglichen Sauna trifft eine Hinweispflicht auf die Gefahr von Verbrennungen nicht. Die Gefahr von Verbrennungen ist für jeden Benutzer der Sauna erkennbar.‟

LG Arnsberg, Urteil vom 14.06.2012 – 2 O 410/11

„2. Eine Pflichtverletzung des Verkehrssicherungspflichtigen und damit seine Schadensersatzverpflichtung scheidet dann aus, wenn eine Gefahrenquelle mit einer „Selbstwarnung‟ versehen ist, der Verletzte also die Verwirklichung der Gefahr durchaus vorauszusehen und zu vermeiden vermocht hätte.‟
vgl. LG Coburg im Urteil vom 22.07.2014, Az. 22 O 107/14

Das OLG Hamm (Beschluss vom 07.02.2012 – I-7 U 87/11) hat Ansprüche des Mieters vollständig verneint. Das OLG hat zwar auch klargestellt, dass gerade mietrechtliche Erwägungen nicht anzustellen seien und der Gebäudeeigentümer nur nach allgemeinen Grundsätzen hafte; es wurde aber nicht klargestellt, welche Folge es denn hätte, mietrechtliche Erwägungen anzustellen. Und so wies das OLG Hamm die Berufung zurück, weil erstens schon keine Pflicht verletzt worden sie und andererseits ein haftungsvernichtendes Eigenverschulden des Geschädigten vorläge; immerhin habe er die Witterung und den Zustand des Daches vor dem Abgang der Dachlawine gesehen.

In der Abwägung erscheint das Urteil des LG Detmold, welches immerhin Ansprüche von 50% zuerkannte, fehlerhaft. Auch hier wäre die Klage abzuweisen gewesen. Denn Verkehrssicherungspflichten zu Vertragspartnern gehen nicht weiter als Verkehrssicherungspflichten gegenüber Dritten. Insoweit ist die körperliche Unversehrtheit eines Dritten als absolutes Recht ebenso weitgehend von der Rechtsordnung geschützt, wie die Gesundheit eines Vertragspartners (vgl. Grüneberg, BGB-Kommentar, § 280 Rn. 28; § 823 Rn. 49; BGH, Urteil vom 09.09.2008, Az. VI ZR 279/06; OLG Hamm im Urteil vom 15.03.2013, Az. 9 U 187/12); das muss auch für Sachen (Kfz) gelten. Es ist kein Grund ersichtlich, im Mietrecht von den Grundverständnissen abzuweichen, dass
– Sachverhalte nicht vor sich selbst warnen und Hinweisschilder erforderlich wären und
– das Mitverschulden des Geschädigten eine Haftung vernichten kann, wenn der Geschädigte das Ereignis jedenfalls bewusst in Kauf nimmt.

 

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