,

Haftungsprivileg des § 105 SGB VII, wenn der Privathund mit in den Betrieb gebracht wird? Ja sagt das LAG Hamm.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 26.06.2019 — Aktenzeichen: 2 Sa 237/19

Tierhalter haften aufgrund der Gefährdungshaftung nach § 833 BGB ohne Verschulden. Was aber ist, wenn ein Mitarbeiter im Einvernehmen mit der Geschäftsführung seinen privaten Hund mit in die Firma nimmt und der Hund einen Kollegen verletzt? Ist der „Kollege Hund dann haftungsprivilegiert‟? Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in diesem Fall die Betriebsbezogenheit bejaht und die Klage abgewiesen, weil die Haftung nach § 105 SGB VII ausgeschlossen ist.

Orientierungssätze
1. Der Begriff der betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 105 SGB VII ist nach Sinn und Zweck der Haftungsprivilegien des SGB VII weit auszulegen.

2. Für die Haftungsfreistellung ist maßgeblich, ob der Schaden in Ausführung einer betriebsbezogenen Tätigkeit oder nur bei Gelegenheit der Tätigkeit im Betrieb verursacht wurde; die Betriebsbezogenheit entfällt, wenn die schädigende Handlung nach ihrer Anlage und Intention des Schädigers nicht auf die Förderung der Betriebsinteressen ausgerichtet ist oder ihnen gar zuwiderläuft.

3. Das Mitbringen und Halten eines Hundes während der Arbeitszeit am Arbeitsplatz kann betriebsbezogen sein und zu der Haftungsprivilegierung nach § 105 SGB VII führen.

Sachverhalt
Die Klägerin ist Reinigungskraft. Um im Zuge des Feierabends ihre Reinigungsutensilien bei ihrem Arbeitgeber abzugeben, betrat sie das Betriebsgelände. Dort wurde sie von dem Hund ihrer beklagten Kollegin zur Begrüßung angesprungen. Dabei stürzte die Klägerin unglücklich und zog sich diverse Frakturen und Prellungen zu. Der Unfall wurde von der Berufsgenossenschaft als Versicherungsfall anerkannt. Die Beklagte hatte ihren Hund schon als Welpen mit in den Betrieb gebracht, der sich während der Arbeitszeit der Beklagten auf dem Betriebsgelände aufhielt. Der Arbeitgeber war damit einverstanden und begrüßte dies ausdrücklich. Auf der Homepage des Unternehmers wurde der Hund mit Bild als „Firmenhund‟ vorgestellt. Die Klägerin verlangte von der Beklagten als Tierhalterin Schmerzensgeld und Schadensersatz. Die Beklagte lehnte ab, weil nach ihrer Ansicht ein Haftungsprivileg greife. So trafen sich die Parteien vor der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Entscheidung
Sowohl Arbeitsgericht als auch Landesarbeitsgericht bejahten in diesem Fall das Eingreifen des Haftungsprivilegs nach § 105 SGB VII. Zwar sei allein der Umstand, dass Klägerin und Beklagte Arbeitnehmerinnen desselben Arbeitgebers seien, noch nicht ausreichend, das Haftungsprivileg zu bejahen. Vielmehr sei erforderlich, dass das Schadensereignis durch eine Tätigkeit des Schädigers verursacht worden sei, die ihm von dem Betrieb oder für den Betrieb übertragen gewesen oder die im Betriebsinteresse ausgeführt worden sei. Ausgehend vom Sinn und Zweck der §§ 104 ff. SGB VII sei der Begriff der betrieblichen Tätigkeit weit auszulegen. Zwar wird man die Mitnahme und das Halten eines Hundes während der Arbeitszeit am Arbeitsplatz in einem Fall, in dem der Hund für die Ausübung der Tätigkeit nicht benötigt wird, grundsätzlich nur dem persönlich-privaten Bereich des schädigenden Arbeitnehmers zurechnen können, selbst wenn damit positive Nebeneffekte beim Arbeitnehmer wie z.B. Leistungssteigerung oder Stressminderung eintreten. Vorliegend ging das Landesarbeitsgericht allerdings davon aus, dass die beklagte Hundehalterin aus ihrer subjektiven Sicht im Betriebsinteresse gehandelt habe, da sie den Hund auf ausdrücklichen Wunsch des Firmengründers seit jeher mit in den Betrieb genommen habe und ihr Hund sogar auf der Homepage des Unternehmerns mit einem eigenen Bild als „Firmenhund‟ vorgestellt worden sei. Dementsprechend habe die beklagte Hundhalterin davon ausgehen können, dass die Mitnahme und der Aufenthalt des Hundes auf dem Betriebsgelände nicht (nur) ihren persönlichen Lebensbereich betrifft, sondern jedenfalls auch im betrieblichen Interesse lag.

Praxishinweis
Hunde können gut fürs Betriebsklima und sogar die Gesundheit der Mitarbeiter sein. Die positiven Effekte der tierischen Kollegen sind wissenschaftlich belegt. Nichtsdestotrotz hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, seinen Hund oder sonstige Haustiere mit zu seinem Arbeitsplatz zu nehmen. Wenn dies aber vom Arbeitgeber gewünscht und gefördert wird, ist es nur konsequent, das Haftungsprivileg des § 105 SGB VII greifen zu lassen. Dies hat das Landesarbeitsgericht in vorgenannter Entscheidung, die noch nicht rechtskräftig ist, umgesetzt. Handelt es sich um den Hund des Unternehmers selbst, greift § 104 SGB VII unmittelbar, so dass es auf die Betriebsbezogenheit nicht ankommt.

image_pdf