Grenzen der Bedenkenhinweispflicht

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 28.11.2006 — Aktenzeichen: 24 U 8/06

Ein Bauunternehmer haftet grundsätzlich auch dann, wenn die von ihm hergestellte Leistung mangelhaft ist und die Mangelursache im Verantwortungsbereich des Auftraggebers oder eines Vorunternehmers liegt. Denn einen Bauunternehmer treffen Prüfungs- und Anzeigenpflichten. Dies folgt beim VOB/B-Vertrag aus § 4 Nr. 3 VOB/B und beim BGB-Vertrag aus Treu und Glauben. Hat der Bauunternehmer keine Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Brauchbarkeit der vom Bauherrn zur Verfügung gestellten Baustoffe oder gegen die Leistungen anderer Bauunternehmer unverzüglich (beim VOB/B-Vertrag schriftlich) mitgeteilt, haftet er, obschon die Mängel letztlich nicht in seinem Verantwortungsbereich liegen.

Streit besteht dabei häufig über die Grenzen dieser Bedenkenhinweispflicht. Damit hatte sich auch das OLG Hamm zu befassen.

Leitsatz
1. Der Umfang der Prüfungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Zu berücksichtigen ist, ob der Auftraggeber selber sachkundig ist oder durch fachkundige Personen vertreten wird. 2. Ergeben die Vertragsunterlagen, dass der Auftraggeber bereits eine fachkundige Prüfung hat durchführen lassen, muss der Auftragnehmer ohne gegenteilige Anhaltspunkte („ins Auge springende Mängel‟) nicht noch einmal prüfen. 3. Werden in einem Leistungsverzeichnis, welches keine Lücken oder Unklarheiten aufweist, Produkte eines bestimmten Herstellers vorgeben, spricht dies dafür, dass das Leistungsverzeichnis das Ergebnis einer fachkundigen Planung ist.

Sachverhalt
Die klagende Sparkasse verlangt vom beklagten Maler Schadensersatz wegen mangelhafter Beschichtungsarbeiten in ihrer Tiefgarage. Im Jahre 2001 ließ sich die Sparkasse im Zuge der Sanierung der Tiefgarage von einem Hersteller solcher Beschichtungen beraten. Der Hersteller schlug ein bestimmtes Produkt vor, welches sodann von der Sparkasse, vertreten durch ihren angestellten Architekten, ausgeschrieben wurde. Der Maler beteiligte sich an der Ausschreibung, gab ein Angebot ab und erhielt den Zuschlag. Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung meldete der Maler nicht an. Im Anschluss wurden die Arbeiten ausgeführt. Später kam es zu Bläschenbildung in der Beschichtung. Es stellte sich heraus, dass die Beschichtung nicht diffusionsoffen war. Dies führte dazu, dass Feuchtigkeit durch den Boden — dieser war als weiße Wanne konzipiert — hindurch diffundierte und die Beschichtung stellenweise nach oben drückte. Es bildeten sich mit Wasser gefüllte Bläschen.

Die Sparkasse stellte sich auf den Standpunkt, die vom Maler verwandte Beschichtung sei für die Tiefgarage ungeeignet gewesen, sie verklagte den Maler auf Zahlung von rund 180.000 €.

Das Landgericht gab der Klage statt mit der Begründung, der Maler hätte das ausgeschriebene Material als Fachmann prüfen und Bedenken mitteilen müssen.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Malers hatte Erfolg. Das OLG Hamm hat die Klage letztlich abgewiesen.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat einen Anspruch der Sparkasse auf Schadensersatz aus § 13 Nr. 7 VOB/B verneint. Der Haftung des Malers stehe § 13 Nr. 3 VOB/B entgegen. Danach sei der Auftragnehmer frei von der Gewährleistung für einen Mangel, der auf die Leistungsbeschreibung oder auf einem vorgeschriebenen Stoff zurückzuführen sei, außer wenn er die ihm nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegende Mitteilung über die zu befürchtenden Mängel unterlassen habe.

Und diese Mitteilung sei — so das OLG Hamm — hier nicht erforderlich gewesen. Der Maler habe darauf vertrauen dürfen, dass das ausgeschriebene Material geeignet gewesen sei. Immerhin sei die Sparkasse hier selber sachkundig bzw. durch fachkundige Personen vertreten gewesen. Der Maler habe davon ausgehen dürfen, dass das Leistungsverzeichnis das Ergebnis einer fachkundigen Planung sei. Dafür habe bei objektiver Betrachtung schon die Tatsache gesprochen, dass Produkte eines bestimmten Herstellers vorgegeben waren. Überdies habe das Leistungsverzeichnis keine Lücken oder Unklarheiten enthalten. Es gab — so der Senat — keinen Grund für Beanstandungen. Dass die Sparkasse keinen Sachverständigen im Zuge der Sanierung eingeschaltet habe — dies sei nach Auffassung der Sachverständigen üblich gewesen — könne nicht zu Lasten des Malers gehen. Etwaige Mängel des Instandsetzungskonzepts seien für den Maler auch nicht erkennbar gewesen; der Maler habe nicht erkennen müssen, dass die ausgeschriebene wasserlösliche Grundierung ungeeignet und das Konzept damit untauglich war. Aus baupraktischer Sicht sei es Sache der Planung, die Diffusionsproblematik zu klären; es sei dem ausführenden Unternehmen nicht zuzumuten, komplizierte Erwägungen anzustellen oder Prüfungen durchzuführen, die über das Maß hinaus gehen, das die einschlägigen technischen Bestimmungen vorsehen. Das Wissen um Diffusionsvorgänge gehöre nicht zum Grundwissen eines ausführenden Unternehmers.

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