Versorgungsleitungen und Erkundigungspflicht des Bauunternehmers
BGH, Urteil vom 20.12.2005 — Aktenzeichen: VI ZR 33/05
Eine Erkundigungspflicht eines Bauunternehmers nach dem Verlauf von Versorgungs-leitungen vor Grabungsarbeiten auf einem Privatgrundstück besteht nur dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte für dort verlegte Versorgungsleitungen gibt.
Sachverhalt
Ein Energieversorger verlangt von einem Tiefbauer Schadensersatz wegen der Beschädigung eines unterirdisch verlegten Stromkabels. Der Tiefbauer wurde von einem Grundstückseigentümer beauftragt, auf dessen Privatgrundstück eine Regenentwässerungsanlage zu errichten. Bei Baggerarbeiten wurde die Stromleitung – von dieser hatte der Grundstückseigentümer keine Kenntnis – beschädigt. Es kam zu einer längeren Versorgungsunterbrechung. Der Energieversorger meinte, der Tiefbauer habe sich vor Beginn der Arbeiten bei ihr nach dem Kabelverlauf erkundigen, jedenfalls sicher stellen müssen, dass Kabel nicht beschädigt werden.
Dies sah der Bundesgerichtshof letztlich anders.
Entscheidung
Zwar bestünden – so der Bundesgerichtshof – hohe Anforderungen an die Pflicht von Tiefbauunternehmen, sich vor der Durchführung von Erdarbeiten an öffentlichen Straßenflächen nach Existenz und Verlauf unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen zu erkundigen. Denn öffentliche Verkehrsflächen würden regelmäßig dazu genutzt, dort Leitungen zu verlegen. Um den unverhältnismäßig großen Gefahren, die durch Beschädigungen von Strom- und anderen Versorgungsleitungen hervorgerufen werden können, zu begegnen, sei mit äußerster Vorsicht vor allem bei der Verwendung von Baggern und anderem schwerem Arbeitsgerät vorzugehen. Der Tiefbauunternehmer müsse sich daher – so der Bundesgerichtshof – nach dem Verlauf von Leitungen erkundigen. Dies sei allerdings auf Privatgrundstücken anders zu beurteilen. Dem Bauunternehmer vor jedweden Grabungsarbeiten auf einem dem Privatgebrauch dienenden Grundstück die Verpflichtung aufzuerlegen, Erkundigungen bei den örtlichen Energieversorgern einzuholen, überschreite die Grenze des Zumutbaren. Nur bei konkreten Anhaltspunkten, dass dort unterirdisch Leitungen liegen, müsse sich der Tiefbauunternehmer erkundigen.
Hinweis für die Praxis
Die hohen Anforderungen bei Tiefbauarbeiten hinsichtlich der Überprüfung des Untergrunds gelten bei Erdarbeiten auf Privatgrundstücken nicht uneingeschränkt.