BGH, Urteil vom 25.6.2013 — Aktenzeichen: VI ZR 128/12

Leitsatz
Ein Erwerbsschaden im Sinne des § 842 BGB entsteht auch demjenigen, der infolge des verletzungsbedingten Wegfalls seiner Erwerbsfähigkeit seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II aus § 19 SGB II verliert.

Sachverhalt
Das Berufungsgericht — OLG Jena, 28.2. 2012, Az: 4 U 527/11 — dessen Urteil hier mit Beitrag vom …. veröffentlicht ist, hat noch angenommen, dass die Klägerin gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers keinen Anspruch auf Regress habe. Denn bei den Rentenzahlungen und dem Beitragsregress handele es sich nicht um sachlich kongruente Leistungen zu den wegen des unfallbedingt weggefallenen Arbeitslosengelds II erlittenen Nachteilen. Der Wegfall des Arbeitslosengelds II sei nicht als ersatz- und übergangsfähiger Erwerbsschaden im Sinne des § 842 BGB zu bewerten.

Entscheidung
Diese Entscheidung hat der BGH nun aufgehoben und klar gestellt, dass ein Erwerbsschaden im Sinne des § 842 BGB auch demjenigen entstehe, der infolge des verletzungsbedingten Wegfalls seiner Erwerbsfähigkeit seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II verliert.

Zwar weise das Arbeitslosengeld II deutliche Unterschiede zur Arbeitslosenhilfe nach altem Recht auf. Im Unterschied zur Arbeitslosenhilfe komme ihm keine Lohnersatzfunktion zu. Auch sehe das Sozialgesetzbuch II den Leistungsberechtigten von Arbeitslosengeld II nicht — wie dies früher für den Empfänger von Arbeitslosenhilfe galt — als in den Arbeitsmarkt eingegliedert an.

Im Gegensatz zur Sozialhilfe entstehe der Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II nach der Ansicht des BGH jedoch nicht schon durch die bloße Tatsache der Hilfebedürftigkeit. Vielmehr setze er voraus, dass der Betroffene erwerbsfähig sei (§ 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). und für die Eingliederung in Arbeit zur Verfügung stehe. Die Arbeitslosigkeit und die vorausgegangene sozialversicherungspflichtige Beschäftigung seien anders als im Fall der Arbeitslosenhilfe nicht mehr Voraussetzungen der Leistung. Auch wer als Erwerbsfähiger nach früherem Recht nicht Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bezog, sondern nur Sozialhilfe, falle nunmehr unter die Grundsicherung für Arbeitsuchende gemäß dem Sozialgesetzbuch II. Dass das Arbeitslosengeld II sich im Unterschied zur Arbeitslosenhilfe nicht an der Höhe des gewöhnlich erzielten Arbeitsentgelts orientiere und daher keine Lohnersatzfunktion habe, stehe der Annahme eines Erwerbsschadens nicht entgegen. Die Lohnersatzfunktion einer Sozialleistung könne zwar dafür sprechen, dass mit ihrem Verlust ein Erwerbsschaden eintritt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei sie jedoch keine notwendige Bedingung für die Annahme eines Erwerbsschadens. Entscheidend sei vielmehr, dass das Sozialgesetzbuch II die Leistungsberechtigung von der Erwerbsfähigkeit abhängig mache und dem Leistungsbezieher ein Vermögensnachteil entstehe, wenn er infolge des verletzungsbedingten Wegfalls seiner Erwerbsfähigkeit seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II verliere. Der Annahme sachlicher Kongruenz stehe somit nicht entgegen, dass dem Arbeitslosengeld II keine Lohnersatzfunktion zukommt. Es genüge, dass der Wegfall des entsprechenden Leistungsanspruchs einen Erwerbsschaden begründt und die zu erbringende Sozialleistung dem Ausgleich dieses Schadens diene.

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