Kein Schadensersatz für „schlechten Vergleich“

OLG Hamm, Urteil vom 17.3.2015 — Aktenzeichen: 28 U 208/13

Sachverhalt
Die Klägerin befand im Jahr 2002 in länger andauernder Krankenhausbehandlung, während derer es zu mehrfachen Revisionsoperationen kam. Die Klägerin ging von einem ärztlichen Behandlungsfehler aus, der zu einer Infektion mit Staphylokokken geführt habe.

Der beklagte Anwalt leitete für die Klägerin ein Verfahren vor dem Gutachterausschuss für Haftpflichtfragen der Ärztekammer Westfalen-Lippe ein. Dieser stellte einen (einfachen) Behandlungsfehler fest.

Der Rechtsträger des behandelnden Krankenhaus bot zur Abgeltung aller Ansprüche der Klägerin einen Betrag von 16.000,00 Euro an. Nach Erörterung dieses Vorschlages teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass Sie keinen Abfindungsvergleich schießen wolle, weil später entstehende Ansprüche nicht ganz unwahrscheinlich seien. Dies wiederum teilte der Beklagte dem Klinikträger mit, woraufhin sich dieser bereit erklärte – unter Ausklammerung eines potentiellen Zukunftsschadens – noch eine Pauschalentschädigung von 10.000,00 Euro für die bereits entstandenen Schäden zu zahlen. Die Klägerin nahm den Vergleich nach Rücksprache mit dem Beklagten an. Nicht ausgeklammert waren bei dem Pauschalangebot solche Zukunftsschäden, die objektiv vorhersehbar waren.

Im weiteren Verlauf verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Klägerin, so dass sie von einem nach wie vor nicht abgeschlossenen Schaden von fast 250.000,00 Euro ausging, der aufgrund des Vergleichsabschlusses gegenüber dem Klinikträger aber nicht mehr durchsetzbar war, weil es sich nicht um gänzlich unerwartete Folgen der bereits eingetretenen Beeinträchtigung handelte.

Das Landgericht hat die gegen den beklagten Anwalt gerichtete Klage abgewiesen, da sich nicht feststellen lasse, dass die Vermögenslage der Klägerin ohne den Abschluss des Vergleichs besser gewesen wäre. Denn der gerichtlich bestellte Sachverständige konnte zwar einen Behandlungsfehler erkennen, allerdings keinen groben Behandlungsfehler, der die Beweislast der Klägerin erleichtert hätte. Dass alle behaupteten Folgen auf den Fehler zurückzuführen waren, konnte er ebenfalls nicht feststellen.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

Selbst wenn von einer anwaltlichen Pflichtverletzung im Rahmen der anwaltlichen Beratung ausgegangen werden konnte, so hätte die Klägerin beweisen müssen, dass sie ohne Vergleichabschluss in der Lage gewesen wäre, den gesamten nun geltend gemachten Anspruch über ca. 250.000,00 Euro zzgl. Feststellungsantrag erfolgreich gegenüber dem Klinikträger durchzusetzen.

Dies hatte die durchgeführte Beweisaufnahme allerdings gerade nicht bestätigt. Der in erster Instanz nochmals bestätigte Behandlungsfehler rechtfertigte nur ein ganz geringes Schmerzensgeld, so dass der Senat sogar davon ausging, dass die Klägerin im Falle einer Arzthaftungsklage noch nicht einmal die gezahlten 10.000,00 Euro erstritten hätte.

Der Abschluss eines als „schlecht“ wahrgenommenen Vergleichs und der anwaltliche Rat zur Annahme des Vergleichs rechtfertigen daher nicht zwingend Ansprüche gegen den Rechtsanwalt.

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