Kassenärzte machen sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar

BGH, Urteil vom 29.3.2012 — Aktenzeichen: GSSt 2/11

Leitsatz
Ein Kassenarzt macht sich nicht wegen Bestechlichkeit nach § 332 StGB oder Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 StGB strafbar, wenn er für die Verordnung bestimmter Arzeinmittel eine Gegenleistung annimmt.

Spiegelbildlich macht sich der den Vorteil zuwendende Pharmareferent nicht wegen Bestechung (im geschäftlichen Verkehr) strafbar.

Sachverhalt
Eine Pharmareferentin hatte Kassenärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von ca. 18.000 € ausgestellt. Dieser Vorgang beruhte auf dem Prämiensystem eines Pharmaunternehmens für die Verschreibung von Arzneimitteln.

Sie wurde wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt, weil das Gericht annahm, Kassenärzte seien wegen ihrer Verordnungsgewalt über die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse und Einbindung in das öffentlich-rechtliche Krankenversicherungssystem als Amtsträger zu qualifizieren.

Über die hiergegen gerichtete Revision hatte der Große Senat des BGH zu entscheiden.

Entscheidung
Der Große Senat des BGH entschied nunmehr, dass Kassenärzte — auch wenn sie bei der Versorgung der gesetzlich Versicherten der Allgemeinheit im Sinne des Sozialstaates dienen — keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und deshalb nicht als Amtsträger zu qualifizieren sind.

Die Tätigkeit des Arztes und die Begründung des Versorgungsvertrages beruhen auf der freien Auswahl durch den Versicherten, nicht der Bestellung durch die Krankenkasse. Die Verordnung eines Arzneimittels konkretisiere zwar den Anspruch des Versicherten gegenüber der Krankenkasse, dies sei aber nicht hoheitlich gesteuert, sondern richte sich allein nach dem Arzt-Patienten-Verhältnis und den ärztlichen Berufspflichten.

Auch die Beauftragteneigenschaft gemäß § 299 StGB sprach der Große Senat den Kassenärzten im Verhältnis zu den Krankenkassen ab, da sie sich nach der gesetzgeberischen Wertung auf einer Ebene der Gleichordnung mit den Kassen bewegen. Unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen Kassen und Kassenärzten gibt es bis auf wenige Ausnahmen nicht.

Die strafrechtliche Sanktionierung der Einwirkungsversuche von Heil- und Hilfsmittelherstellern auf Kassenärzte wird damit zur Aufgabe des Gesetzgebers.

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