Verschluckter Pflegehandschuh begründet Haftung

Landgericht Bielefeld, Urteil vom 27.2.2014 — Aktenzeichen: 5 O 201/13

Sachverhalt
Aufgrund eines Pflegeheimunfalls hatte die klagende Krankenkasse Aufwendungen zur Heilbehandlung in erheblicher Höhe zu erbringen. Der Versicherte der Klägerin litt seit frühester Kindheit an schweren psychischen Störungen und hatte keinerlei Gespür für Gefahren. Er neigte zu autoaggressivem Verhalten sowie dazu, sich Gegenstände in den Mund zu stecken.

Zehn Minuten nachdem der Versicherte von einer Pflegekraft versorgt worden war, fand man ihn regungslos im Flurbereich des beklagten Heimes auf. Bei den Reanimationsmaßnahmen stellte man fest, dass der Versicherte an einem Einmalhandschuh aus Latex zu ersticken drohte. Zwar überlebte der Versicherte. Er erlitt jedoch einen Hirnschaden, der nachhaltige Heilbehandlungskosten erforderlich machte.

Unaufklärbar blieb, wie der Versicherte an den Pflegehandschuh gelangt ist, den er sich in den Mund gesteckt hatte.

Entscheidung
Das Landgericht gab der Klage statt.

Das beklagte Heim war nach Auffassung des Landgerichts Bielefeld verpflichtet, darzulegen und zu beweisen, dass es seine Pflichten nicht verletzt hat. Ein solcher Nachweis sei aber nicht gelungen. Der Annahme des Landgerichts lag die Rechtsprechung zu vollbeherrschbaren Gefahrenbereichen zugrunde, nach der eine Beweislastumkehr eingreift, wenn sich der Bewohner des Pflegeheims in einer konkreten Gefahrensituation befindet, die gesteigerte Obhutspflichten auslöst und die Beherrschung einer speziell dafür eingesetzten Pflegekraft anvertraut worden ist.

Vorliegend konnte dem beklagten Heim jedoch nicht der Nachweis gelingen, dass die Pflegekraft, die den Kläger zehn Minuten zuvor versorgt hatte, den Pflegehandschuh nicht vergessen hatte.

Da der Gesundheitszustand und die Neigung, sich Gegenstände in den Mund zu schieben, bekannt waren, musste das beklagte Heim außerdem gesondert dafür Sorge tragen, dass Gegenstände, die grundsätzlich geeignet waren, die Gesundheit des Versicherten zu gefährden seinem Zugriff entzogen werden. Stattdessen waren die Pflegehandschuhe aber so aufbewahrt worden, dass sie für den Geschädigten grundsätzlich zugänglich waren.

Da die Beklagte nach allen denkbaren Sachverhaltsvarianten für den Schaden verantwortlich war, hat sie daher heute für den Schaden einzustehen.

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