Haftungsprivileg bei Leiharbeitern? OLG Schleswig sagt ja.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 14.3.2013 — Aktenzeichen: 11 U 4/11
Kommt es auf Baustellen zu einem Personenschaden eines Arbeiters wegen Verstößen gegen Unfallverhütungsvorschriften, ist die Haftung dessen Arbeitgebers nach den Regelungen der §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen. Fraglich ist, ob dieses Haftungsprivileg auch dann gilt, wenn sich dieser Arbeitgeber eines Leiharbeiters bedient und dieser zu Schaden kommt.
Leitsatz
Auch solche Beschäftigten, die nicht Arbeitnehmer des Unfallbetriebs sind, jedoch bei einem solchen als sogenannte „Leiharbeiter“ eingesetzt werden, unterliegen dem Versicherungsschutz nach dem SGB VII, so dass Individualansprüche mit Ausnahme von Vorsatztaten und sogenannte „Wegeunfälle“ ausgeschlossen sind.
Sachverhalt
Der Beklagte ist Inhaber eines Elektrounternehmens. Er hatte den Auftrag, auf einer Reithalle eine Photovoltaik-Anlage zu installieren. Der von ihm eingesetzte Leiharbeiter stürzte im Zuge dieser Arbeiten durch Lichtplatten auf dem Dach und verletzte sich erheblich.
Die Klägerin nimmt den Beklagten gemäß § 110 SGB VII auf Ersatz ihrer Aufwendungen in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen abgewiesen, da dem Beklagten keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht hat demgegenüber, ohne erneut in die Beweisaufnahme einzutreten, grobe Fahrlässigkeit bejaht und den Zahlungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Zur Frage des Haftungsprivilegs hat das Gericht kurz und bündig ausgeführt: Die Haftungsbeschränkung gemäß § 104 SGB VII greift zu Gunsten eines Unternehmers ein, wenn der geschädigte Versicherte für das Unternehmen tätig ist oder in einer sonstigen die Versicherung begründenen Beziehung steht. Davon ging das Gericht aus, weil der verunfallte Leiharbeiter „auf einer Baustelle des Beklagten tätig war und dort dessen Weisungen unterworfen war“.
Anmerkung
Fehlsam nicht befasst hat sich das Oberlandesgericht mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung eines Arbeitsunfalls und die haftungsrechtliche Zuordnung grundsätzlich nicht auseinander fallen sollen. Ebenso wenig hat das Oberlandesgericht die unterschiedlichen Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung in den Blick genommen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Sollte das Haftungsprivileg im Verhältnis Entleiher — Leiharbeiter nicht greifen, wäre die Klage wohl abzuweisen, da streitgegenständlich zunächst nur Ansprüche nach § 110 SGB VII waren und Ansprüche aus übergegangenem Recht nach § 116 SGB X erst in verjährter Zeit hilfsweise geltend gemacht worden sind.