Haftungsprivileg nach SGB VII–Auch bei gefahrenträchtiger Neckerei?

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 26.4.2016 — Aktenzeichen: 1 Sa 247/15

Das Haftungsprivileg nach dem SGB VII greift bei betrieblicher Tätigkeit. Nun geht es auf Arbeitsstätten nicht selten „lustig“ zu. Geschieht dabei ein Unfall, stellt sich die Frage der Abgrenzung der Neckerei von betrieblicher Tätigkeit. Darum ging es in der Entscheidung des LAG Schleswig.

Leitsatz
1. Ein Arbeitnehmer haftet seinem Arbeitskollegen auf Schmerzensgeld, wenn der Personenschaden nicht anlässlich einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten ist, sondern nur anlässlich einer solchen Tätigkeit.

2. Ein Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII kommt namentlich bei einer „Neckerei“ unter Arbeitskollegen nicht in Betracht.

3. Eine solche Neckerei liegt vor, wenn der Schädiger mit einem Gabelstapel auf einen Arbeitskollegen zurollt, um ihm „in die Brust zu zwicken“, auch wenn der Schädiger beabsichtigt, den Wagen anschließend in der Lagerhalle abzustellen.

Sachverhalt
Kläger und Beklagter waren beide bei der Fa. B beschäftigt. Der Kläger entlud mit weiteren Kollegen einen Pritschenwagen. Der Beklagte fuhr mit einem Gabelstapler an den Kläger heran, „um diesen in die Brust zu zwicken“ (!). Dabei fuhr er mit dem linken Hinterrad des Gabelstaplers zweimal über den Fuß des Klägers.

Der Kläger verlangte Schmerzensgeld und behauptet, der Beklagte sei ohne betriebliche Veranlassung auf ihn zugefahren. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Entscheidung
Die Entscheidung überzeugt nicht. Man kann den Eindruck gewinnen, als hätten die Parteien den Vortrag bewusst so gewählt, um dem Kläger ein Schmerzensgeld zu ermöglichen. Bezeichnenderweise hatte man der Haftpflichtversicherung des Beklagten, die wegen des Haftungsausschlusses nicht reguliert hat, den Streit verkündet. Das Gericht mutet dem Leser dieser Entscheidung viel zu, wenn es das Zufahren mit einem Gabelstapler, um den Kläger „zu zwicken“, als Neckerei charakterisiert.

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