Der BGH äußert sich zu Aufklärungs- und Beratungspflichten eines Versicherungsmaklers

BGH, Urteil vom 10.3.2016 — Aktenzeichen: I ZR 147/14

Leitsatz
1. Die Pflichten des Versicherungsmaklers zur Aufklärung und Beratung umfassen vor allem die Fragen, welche Risiken der Versicherungsnehmer absichern sollte, wie die effektivste Deckung erreicht werden kann, bei welchem Risikoträger die Absicherung vorgenommen werden kann und zu welcher Prämienhöhe welche Risikoabdeckung erhältlich ist. Ein Versicherungsmakler erfüllt diese Pflichten nicht allein dadurch, dass er ohne Prüfung und Erörterung im konkreten Fall den Versicherungsnehmer auf Lücken einer bestehenden Versicherung sowie die dadurch hervorgerufenen wirtschaftlichen Risiken hinweist und einen Versicherungsschutz gegen alle Risiken empfiehlt.

2. Hat der Versicherungsmakler seine Prüfungs- und Beratungspflichten umfassend erfüllt und entscheidet sich der Versicherungsnehmer gegen die ihm vorgeschlagene, sach- und interessengerechte Vorgehensweise, kann der Versicherungsmakler für einen unzureichenden Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers nicht verantwortlich gemacht werden. Der Versicherungsmakler ist in diesem Fall nicht verpflichtet, seine Empfehlung zu wiederholen und den Versicherungsnehmer gegen dessen erklärten Willen erneut zu beraten.

3. Ist der Versicherungsnehmer noch nicht oder nicht ausreichend beraten worden, darf der Versicherungsmakler keine sachwidrigen Weisungen akzeptieren und hat dafür zu sorgen, dass der Versicherungsnehmer eine für eine sach- und interessengerechte Entscheidung geeignete Entscheidungsgrundlage erhält. Der Versicherungsmakler darf von der Beratung eines nicht ausreichend informierten Versicherungsnehmers nur absehen, wenn der Versicherungsnehmer ihm unmissverständlich erklärt, dass er auf eine weiter gehende Beratung verzichtet.

4. Der Versicherungsmakler, der seiner sekundären Darlegungslast zur Erfüllung seiner Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht genügt hat, ist für seine Behauptung einer sach- und interessenwidrigen Weisung des Versicherungsnehmers und dessen Verzicht auf eine weiter gehende Beratung darlegungs- und beweisbelastet.

5. Hat der Versicherungsnehmer auf einen umfassenderen Versicherungsschutz und eine weiter gehende Beratung durch den Versicherungsmakler verzichtet, ist dieser nicht gehalten, bei unveränderter Sachlage auf die damit verbundenen Risiken erneut hinzuweisen.

Sachverhalt
Im Jahr 2006 schloss eine Gesellschaft einen Versicherungsmaklervertrag mit einer Versicherungsmaklerin. Die Klägerin ist Tochtergesellschaft der den Versicherungsmaklervertrag schließenden Kundin. Die Beklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Versicherungsmaklerin.

Ziel des geschlossenen Versicherungsmakler-Vertrages war es, den bestehenden Versicherungsschutz von insgesamt 15 Gesellschaftern und auch der Klägerin zu überprüfen und hinsichtlich der Risikoabdeckung und der Prämienhöhe zu verbessern.

Infolge der Beratung kam es zu einem Wechsel von Sachversicherung und Betriebsunterbrechungsversicherung im Januar 2007. Im Rahmen des im Jahre 2007 abgeschlossenen Versicherungsvertrags war das Risiko einer Leckage der Sprinkleranlage nicht versichert.

Die Klägerin hat geltend gemacht, es soll zu einem Fehlalarm in ihrem Betrieb gekommen sein, der dazu führte, dass die Sprinkleranlage einer Lagerhalle in Betrieb gesetzt worden sei. Die Halle habe sich mit Löschschaum gefüllt, was zu nicht gedeckten Schäden geführt habe.

Das Landgericht Freiburg hat die Klage mit Urteil vom 14.11.2012 (Az.: 14 O 483/10) abgewiesen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 18.06.2014 (Az.: 9 U 21/13) zurückgewiesen.

Entscheidung
Mit Urteil vom 10.03.2016 hat der BGH die Entscheidung des OLG Karlsruhe aufgehoben und zurück verwiesen.

Zur Begründung hat er festgestellt, dass das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen habe, einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB bestehe nicht, da nicht bewiesen sei, dass die Versicherungsmaklerin Pflichten aus dem Versicherungsmakler — Vertrag verletzt habe. Nach dem bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen könne eine solche Pflichtverletzung nicht verneint werden.

Zur Begründung hat der Senat Bezug genommen auf die im Rahmen der Sachwalter-Entscheidung entwickelten Grundsätze (Urteil vom 22.05.1985, Az.: IV a ZR 190/83).

Er hat festgestellt, dass das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen hat, die Versicherungsmaklerin sei lediglich verpflichtet gewesen, auf eine Ausweitung des Versicherungsschutzes in der Betriebsunterbrechungs-Versicherung auf alle Risiken hinzuweisen. Ein Versicherungsmakler erfüllt seine Aufklärungs- und Beratungspflichten jedoch nicht allein dadurch, dass er ohne Prüfung und Erörterung im konkreten Fall den VN auf Lücken einer bestehenden Versicherung sowie die dadurch hervorgerufenen wirtschaftlichen Risiken hinweist und einen Versicherungsschutz gegen alle Risiken empfiehlt. Vielmehr besteht eine pflichtgemäße Beratung in einem am konkreten Bedarf des VN orientierten Hinweis auf eine Sach- und interessengerechte Versicherung und in einer Information über die dafür anzuwendenden Kosten. Diesbezüglich sei ausreichender Vortrag der Beklagten nicht vorhanden gewesen.

Mit seinen Leitsätzen hat der Senat umfangreich Stellung genommen zu den Pflichten des Versicherungsmaklers und der daraus resultierenden Haftung. Er hat nochmals festgestellt, dass den Versicherungsmakler eine sekundären Darlegungslast für den Umstand trifft, seine Pflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer ausreichend erfüllt zu haben.

Allerdings hat der Senat mit dem fünften Leitsatz sinngemäß auch festgestellt, dass der Versicherungsmakler nicht gehalten ist, seine Beratung „aufzudrängen“.

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