Aufklärungspflicht des Berufungsgerichts bzgl. des Eingangs von Telefaxen

BGH, Beschl. v. 08.03.2022 – VIII ZB 96/20

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Pflichten des Rechtsmittelgerichts bei Zweifeln am rechtzeitigen Eingang einer per Telefax übermittelten Berufungsbegründung.

 

Sachverhalt  

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten legte gegen ein für den Beklagten nachteiliges Urteil fristgerecht Berufung ein. Die Berufungsbegründungsfrist lief bis zum Ablauf des 14.05.2018.

Der Prozessbevollmächtigte schickte die Berufungsbegründung per Telefax an das Berufungsgericht. Das Empfangsgerät wies jedoch den 15.05.2018 um 0:01 Uhr als Empfangszeit aus, woraufhin das Berufungsgericht den Prozessbevollmächtigten daraufhin wies, dass die Berufungsbegründung nicht mehr fristgerecht bei Gericht eingegangen sei. Der Prozessbevollmächtigte legte sodann den Sendebericht seines Telefaxgerätes vor, der den 14.05.2018, 23:52 Uhr als Sendezeit und eine Übertragungsdauer von einer Minute und 26 Sekunden erkennen ließ und bat, dies nochmal zu überprüfen und beantragte hilfsweise mit Schriftsatz vom 18.01.2019 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er schilderte den Ablauf der Einreichung der Berufungsbegründung und beantragte die „amtliche Auskunft“ über die Funktionsweise der Zeitangaben des Empfangsgeräts. Daraufhin wurde das Journal des Faxgeräts herangezogen, dass ebenfalls den 15.05.2018 um 0:01 Uhr als Empfangszeitpunkt und eine Übertragungsdauer von einer Minute und 27 Sekunden auswies.

Das Berufungsgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Es führte zur Begründung aus, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten worden sei. Das gehe aus dem Empfangsbericht des gerichtlichen Faxgerätes sowie dem Faxjournal hervor. Dass das gerichtliche Faxgerät nicht ordnungsgemäß funktioniere, sei weder bekannt noch ersichtlich. Das Faxgerät des Bevollmächtigten weise nicht die richtige Uhrzeit aus oder es sei zwischen der Absendung und dem Empfang zu Verzögerungen gekommen.

Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht fristgerecht gestellt und im Übrigen unbegründet, da die Beklagte nicht hinreichend dargelegt habe, dass ihren Prozessbevollmächtigten kein Verschulden an der Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist treffe.

 

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten nicht hinreichend beachtet und die Widersprüchlichkeiten anhand der für die Beklagte nicht zugänglichen, gerichtsinternen Vorgänge, nicht aufgeklärt und dadurch den Zugang zu einer gerichtlichen Instanz erschwert. Die Ausführung des Berufungsgerichts, es fehle der Nachweis eines rechtzeitigen Eingangs der Berufungsbegründung, ist rechtsfehlerhaft.

Zweifel bzgl. der fristgerechten Einreichung des Antrags gehen zulasten des Antragstellers, der hierfür die Beweislast trägt. Bei einer Berufungsbegründung, die per Telefax versandt wird, ist der Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht maßgeblich, d.h. der Schriftsatz hätte im vorliegenden Fall am 14.05.2018 bis spätestens 24:00 Uhr vom Gericht vollständig empfangen werden müssen.

Der BGH konnte mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilen, ob dem Beklagten dieser Nachweis gelingt. Das Berufungsgericht beschäftigte sich weder mit dem Parteivorbringen der Beklagten zum rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung noch mit der anwaltlichen Versicherung, dass der Prozessbevollmächtigte die Zeitangabe des Faxgerätes mittels zweier Funkuhren überprüft hat. Auch eine Auseinandersetzung des Gerichts mit den hinsichtlich der Übertragungsdauer nahezu identischen Sendeberichten des Beklagtenvertreters sowie des gerichtlichen Faxjournals fehlt. Dieser Aspekt ist jedoch von entscheidungserheblicher Bedeutung, denn die unterschiedlichen zeitlichen Angaben führen vor Augen, dass diese entweder auf einer falschen Zeitangabe des Faxgeräts des Beklagtenvertreters oder auf einer zeitlichen Verzögerung zwischen Absendung und Empfang zurückzuführen sind. Ebenso möglich wäre, dass die im gerichtlichen Faxjournal und auf dem Empfangsbericht angegebene Uhrzeit nicht mit dem Zeitpunkt des vollständigen Empfangs übereinstimmt.

Da die Beklagtenseite keinerlei Einblick in die gerichtsinternen Vorgänge hat und daher auch keine etwaigen Fehlerquellen kennt, obliegt die weitere Aufklärung des Sachverhalts dem Gericht. Eine alleinige Beurteilung nur anhand des Faxjournals reicht hierfür nicht aus. Nähere Ausführungen dazu, wieso das Berufungsgericht eine Fehlfunktion des gerichtlichen Faxgerätes ausschließt, fehlen gänzlich.

Weiterhin hätte das Gericht angesichts der unterschiedlichen Zeitangaben und der unterschiedlichen Übertragungsdauer des Sende- und Empfangsberichts klären müssen, ob das gerichtliche Faxjournal den Zeitpunkt des vollständigen Empfangs oder den kompletten Ausdruck des Faxes als „Empfangszeit“ angibt sowie ob das gerichtliche Faxgerät zum maßgeblichen Zeitpunkt eine andere als die tatsächliche Uhrzeit angab.

Ergänzend weist der BGH daraufhin, dass das Berufungsgericht in dem Falle, dass über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entschieden werden muss, diese wohl nicht mehr fristgerecht beantragt worden ist. Der Hinweis des Berufungsgerichts vom 24.09.2018, war eindeutig und bedurfte keinen weiteren, deutlicheren Ergänzungen. Die Frist des § 234 Abs. 1 S. 2 ZPO wurde somit in Gang gesetzt. Auch die Voraussetzungen einer konkludenten Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dürften nicht vorliegen. Hierfür müsste der Antragsteller deutlich gemacht haben, dass eine Versäumung der Frist möglich ist, Ausführungen zu den Wiedereinsetzungsgründen machen und den Willen zum Ausdruck bringen, das Verfahren fortführen zu wollen. Ebenso dürfte eine Wiedereinsetzung von Amts wegen trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 236 Abs. 2 S. 2 HS 1 ZPO nicht vorliegen. Diese Voraussetzungen hätten innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO dargetan werden müssen.

 

Anmerkung: Durch die Nutzungspflicht des elektronischen Übertragungsweges (§ 130d S. 1 ZPO) wird es zu Übertragungsfragen zukünftig weniger Unklarheit geben. Da aber im Fall des Ausfalls der elektronischen Übertragungswege nach § 130d S. 2 ZPO auch die „herkömmliche Faxübermittlung“ zulässig ist, hat die Entscheidung grundsätzlich auch weiterhin Relevanz.

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