Keine Wartepflicht nach § 17 Abs. 2a BeurkG bei einseitigen Rechtsgeschäften

Gilt die notarielle Wartepflicht nach § 17 Abs. 2a BeurkG bei Beurkundung eines Schuldanerkenntnisses? Wie ist der Wille der Beteiligten bei einseitigen Rechtsgeschäften zu erforschen?

OLG Saarbrücken, Urteil vom 18.05.2022, 5 U 41/21

Sachverhalt

Der beklagte Notar wurde von der Klägerin beauftragt, ein selbständiges Schuldversprechen mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung zugunsten eines Unternehmens zu beurkunden. Im Hintergrund stehen nicht näher bekannte strafrechtliche Verfehlungen; die Klägerin will offenbar strafrechtliche Schritte des Unternehmens vermeiden.

Ein Jahr später nimmt die Klägerin den beklagten Notar auf Freistellung von dieser Verbindlichkeit in Anspruch. Es liege ein Verstoß gegen die Wartepflicht nach § 17 Abs. 2a BeurkG vor, denn sie habe erst einige Stunden vor der Beurkundung den Text erhalten. Außerdem habe sie ausdrücklich gewünscht, dass eine Passage, wonach die Schuld „aus vorsätzlichen und schuldhaften Handlungen“ geschuldet sei, gestrichen werde. Dies habe der Notar aber nicht getan.

Der Beklagte hatte unstreitig mit den Vertretern des Unternehmens telefoniert und gefragt, ob diese Streichung einvernehmlich möglich sei. Als dies abgelehnt wurde, hat er die Klägerin dahin belehrt, sie könne über die Formulierung frei befinden, möglicherweise sei die Urkunde dann aber für den gedachten Zweck wertlos.

Das Landgericht weist die Klage ab, weil keine Pflichtverletzung festgestellt werden könne. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Entscheidung

Die Berufung bleibt erfolglos.

Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2a BeurkG liege nicht vor. Bei dem abgegebenen Schuldversprechen handele es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft, das nicht auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages gerichtet sei. Was ein Verbrauchervertrag ist, folgt aus der Legaldefinition in § 310 Abs. 3 BGB. Für eine analoge Anwendung sei mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum. Der Gesetzgeber habe – in Abweichung vom ursprünglichen Gesetzesentwurf – bewusst nur Verbraucherverträge regeln wollen.

Dass die Passage „aus vorsätzlichem und schuldhaftem Handeln“ gestrichen werden sollte, konnte bereits faktisch nicht festgestellt werden. Der Notar habe geäußert, nach dem Telefonat und seiner Belehrung habe sich die Klägerin dazu entschlossen, die Passage im Text der Urkunde zu belassen. Dies sei auch plausibel. Zwar müsse der Notar den „wahren Willen der Beteiligten“ erforschen, die Urkunde verfolgte jedoch einen Zweck gegenüber dem begünstigten Unternehmen. Der „wahre Wille“ geht plausibel dahin, diesen Zweck auch erreichen zu können und nicht – nutzlos – Notarkosten auszulösen.

Praxishinweis

Die Wartepflicht nach § 17 Abs. 2a BeurkG hat die Gerichte in den letzten Jahren landauf, landab beschäftigt. Soweit ersichtlich, ist dies aber der erste obergerichtliche Fall, der sich mit einer analogen Anwendung auf einseitige Erklärungen befasst. Gänzlich fern liegt die Erwägung nicht, denn immerhin gab der Verbraucher eine Erklärung ab und im Hintergrund stand das „begünstigte“ Unternehmen als Quasi-Beteiligter. Dennoch ist die Entscheidung des OLG Saarbrücken zutreffend und auch überzeugend aus dem Gesetzgebungsvorgang abgeleitet. Die Entscheidung entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur.

Beachtung verdienen die Ausführungen zur Frage der Pflichterfüllung nach § 17 Abs. 1 und 2 BeurkG. Man könnte meinen, anders als bei einem Vertrag könne der „wahre Wille des Beteiligten“ leicht festgestellt und umgesetzt werden. Dabei ist aber der intendierte Zweck der Urkunde zu beachten. Bei einem Testament kann der Erblasser vielleicht seinen Willen frei ausleben. Soll aber ein bestimmter Zweck gegenüber Dritten erreicht werden – wie hier mit dem Schuldversprechen – ist der Wille des Beteiligten auch dadurch geprägt, dass dieser Zweck erfüllt werden kann. Dann ist die Urkunde eben kein „Wunschkonzert“ und der Beteiligte muss sich – nach entsprechendem Hinweis des Notars – entscheiden, ob er lieber seine subjektiven Vorstellungen formuliert sehen will oder ob der Zweck im Vordergrund stehen muss. Niemand gibt schließlich freiwillig und gern ein Schuldanerkenntnis ab.

(Dr. Harald Scholz, Hamm)


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