Treuhänder haften für erkennbare Prospektfehler

BGH, Urteil vom 16.3.2017 — Aktenzeichen: III ZR 489/16

Leitsatz
1. Ein Treuhandkommanditist ist verpflichtet, die Anleger über alle wesentlichen Punkte, insbesondere regelwidrige Auffälligkeiten der Anlage, aufzuklären, die ihm bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssen und die für die von den Anlegern zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung sind.

2. Von einem Treuhandkommanditisten kann jedenfalls erwartet werden, dass er den bei den Beitrittsverhandlungen verwendeten Prospekt im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle dahin überprüft, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er dies mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage ist, sachlich richtig und vollständig sind.

Sachverhalt
Die Kläger haben die Beklagte als reine Treuhandkommanditistin wegen Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Beteiligung der Kläger als mittelbare Kommanditisten an einer geschlossenen Fondsbeteiligung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Kläger haben geltend gemacht, der Emissionsprospekt der streitgegenständlichen Fondsbeteiligung sei fehlerhaft, da der auf der Titelseite hervorgehobene Zweck der Altersvorsorge dadurch konterkariert werde, dass es sich faktisch um einen Teil-Blind-Pool mit Totalverlustrisiko handele. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, der Prospekt enthalte zutreffende und klarstellende Risikohinweise. Ferner sei der Fonds zur ergänzenden Altersvorsorge geeignet.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten ist das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen worden. Die Revision hat zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und Zurückweisung der Berufung geführt.

Entscheidung
Der BGH hat ausgeführt, dass die Beklagte nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne auf Schadensersatz haftet. Die Beklagte habe die ihr als Treuhandkommanditistin obliegenden vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt. Sie hätte die Kläger als Anlageinteressenten darüber informieren müssen, dass die angebotene Kapitalanlage entgegen den Prospektangaben weder als spezieller Altersvorsorgefonds noch als ideale Form der Altersvorsorge konzipiert gewesen sei und gegenüber sonstigen (geschlossenen) Immobilienfonds auch keine zusätzlichen Sicherungsinstrumente aufgewiesen habe. Der BGH hat ausgeführt, dass der Anleger durch Vertragsschluss mit dem Treuhandkommanditisten ein Treuhandverhältnis begründe, aus dem sich vorvertragliche Aufklärungspflichten ergeben können. Der BGH hat seine ständige Rechtsprechung, dass es zu den Pflichten des Treuhandkommanditisten gehöre, die Anleger über alle wesentlichen Punkte, insbesondere regelwidrige Auffälligkeiten der Anlage, aufzuklären, die ihm bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssen, und die für die von den Anleger zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung sind, erneut bestätigt. In diesem Zusammenhang treffe den Treuhänder eine eigene Pflicht, unrichtige Prospektangaben von sich aus richtig zu stellen.

Im Folgenden hat der BGH sodann festgestellt, dass im streitgegenständlichen Fall der Emissionsprospekt einem durchschnittlichen Anleger den unzutreffenden Eindruck vermittle, dass es sich bei der angebotenen Beteiligung um eine speziell für den Zweck der Altersvorsorge konzipierte Kapitalanlage handele. Zwar sei eine unternehmerische Beteiligung mit Totalverlustrisiko für eine ergänzende Altersvorsorge nicht schlechthin oder generell ungeeignet. Dies gelte insbesondere dann, wenn bereits eine Absicherung für das Alter bestehe (z.B. gesetzliche Rente, Immobilien) und bei der Kapitalanlage die Altersvorsorge nicht im Vordergrund stehe, sondern in erster Linie Steuern gespart werden sollen. Werde jedoch eine sichere Anlage für Zwecke der Altersvorsorge gewünscht, so könne die Empfehlung einer unternehmerischen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos schon für sich genommen fehlerhaft sein. Im zu entscheidenden Fall sah der BGH es als gezielte Desinformation des künftigen Anlegers an, eine typische unternehmerische Beteiligung (mit Totalverlustrisiko), bei der nicht nur keine besonderen Sicherungsmechanismen vorgesehen waren, sondern zusätzliche Risiken in Form einer Blind-Pool-Investition bestanden, als speziellen Altersvorsorgefonds und ideale Form der Altersvorsorge zu bezeichnen. Insbesondere habe der Emissionsprospekt nicht zwischen einer Eignung der Anlage zur Altersvorsorge oder lediglich zur ergänzenden Altersvorsorge differenziert. Eine Gesamtschau des Prospektes ergebe, dass die warnende Wirkung der für sich genommen zutreffenden Risikohinweise durch die plakative Bezeichnung als „Altersvorsorgefonds“ und die mehrfachen Hinweise auf die besondere Eignung des Fonds zur Altersvorsorge gezielt entwertet werde.

Der BGH hat sodann darauf abgestellt, dass die Unrichtigkeit des Prospektes für die Beklagte bei einer bloßen Plausibilitätsprüfung ohne weiteres erkennbar gewesen sei. Von einem Treuhandkommanditisten könne erwartet werden, dass er den bei den Beitrittsverhandlungen verwendeten Prospekt im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle dahin überprüfe, ob dieser ein in sich schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gebe und ob die darin enthaltenen Informationen, soweit er dies mit zumutbarem Aufwand zu überprüfen in der Lage sei, sachlich richtig und vollständig seien. Auch wenn die Anforderungen nicht überspannt werden dürften, hätten die im vorliegenden Fall gegebenen Ungereimtheiten und inneren Widersprüche des Prospektes der Beklagten auffallen müssen.

Der BGH hat sich sodann weiter mit einem im Treuhandvertrag enthaltenen Haftungsausschluss, wonach der Treuhandkommanditistin keine weitergehenden Prüfungspflichten obliegen sollten, beschäftigt. Hierzu hat der BGH entschieden, dass der Treuhandkommanditist seine Aufklärungsverpflichtung nicht durch eine im Treuhandvertrag enthaltene „Verwahrungserklärung“ ausschließen könne, da derartige Klauseln wegen der grundlegende Bedeutung der Aufklärungspflicht für den Schutz der Investoren nach § 307 Abs. 1 BGB nichtig seien.

Die Pflichtverletzung sei auch kausal für die Anlageentscheidung geworden. Ein Prospektfehler sei dann ursächlich für die Anlageentscheidung, wenn der Prospekt entsprechend dem Vertriebskonzept der Anlagegesellschaft von den Anlagevermittlern / -beratern als alleinige Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche benutzt werde. Es komme dann nicht darauf an, ob der Prospekt dem Anlageinteressenten übergeben worden sei oder ob dieser den Prospekt in allen Einzelheiten zur Kenntnis genommen habe. Vielmehr sei unter solchen Umständen die Frage zu stellen, wie sich die Kläger verhalten hätten, wenn sie die notwendige Aufklärung erhalten hätten. Insoweit greife die Kausalitätsvermutung.

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