Dr. Michael Kappelhoff

Bauvertragsrecht – Abnahme der Leistung ist kein Anerkenntnis zusätzlich ausgeführter Leistungen!

OLG Köln – Beschluss vom 27.05.202125.05.2021

Leitsätze

  1. Verlangt der Auftragnehmer für die Ausführung seiner Meinung nach zusätzlicher Leistungen eine zusätzliche Vergütung, hat er darzulegen und zu beweisen, dass die Zusatzleistung auf einer Anordnung des Auftraggebers oder einer Anordnung eines dazu vom Auftraggeber bevollmächtigten Vertreters beruht.
  2. Aus dem Umstand, dass ein vom Auftraggeber mit der Bauüberwachung beauftragter Bauleiter Ausführungsmängel rügt und die Nachbesserungsarbeiten überwacht, ergibt sich allenfalls eine Vertretungsmacht in Bezug auf die zur technischen Ausführung bereits erteilten Aufträge, nicht aber in Bezug auf die Beauftragung von Nachtragsleistungen.
  3. Die vorbehaltlose Abnahme der Leistung stellt kein Anerkenntnis einer auftragslos erbrachten Leistung dar. Insbesondere bei öffentlichen Auftraggebern sind hohe Anforderungen an die Annahme eines Anerkenntnisses zu stellen.

 

Problemdarstellung

Regelmäßig zeigt sich im Laufe eines Bauvorhabens, dass weitere Leistungen des Auftragnehmers erforderlich werden. Kurzerhand – es soll ja vorangehen – werden dann auf der Baustelle Leistungen von Bauleitern bzw. Mitarbeitern des Auftraggebers erteilt, die manchmal tatsächlich dazu gar nicht bevollmächtigt sind. Wenn der Auftragnehmer dann die Gesamtleistungen ausführt, wähnt er sich – bei VOB-Vertrag – jedenfalls nach erfolgter Abnahme auf der sicheren Seite: Nach der VOB/B ist schließlich auch eine nicht vom Auftraggeber beauftragte Leistung vergütungspflichtig, wenn der sie anerkannt hat (§ 2 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B). Doch ist „Abnahme“ gleich „Anerkenntnis“?

 

Sachverhalt

Der Auftragnehmer hatte auf Basis eines VOB-Vertrags für die Beklagte Gehölzpflegearbeiten an Platanenalleen auszuführen. Der Vertrag sah vor, dass Nachtragsangebote des Auftragnehmers durch Übergabe detailliert aufgeführter Unterlagen wie etwa einer Nachtragskalkulation schriftlich zu erstellen seien. Der für die Bauherrin tätige – aber offenbar nicht zur Beauftragung zusätzlicher Leistungen bevollmächtigte – Bauleiter teilte ihm in Rahmen der Auftragsausführung mit, dass die Baumkronen verstärkt auszulichten seien, schließlich müsse er „von unten die Kronenspitze sehen können und alle Äste dazwischen müssen raus“. Der Auftragnehmer behauptete später, darauf hingewiesen zu haben, dass die Anforderungen der vertraglich beauftragten Baumkronenpflege dadurch überschritten würden und es sich um einen zusätzlichen Auftrag handle. Er erbrachte auch die weitere Auslichtung der Kronen, bevor seine Arbeiten anschließend abgenommen wurden.

Der Auftragnehmer rechnet anschließend ab und berechnet dabei mit weiteren 60.000,00 EUR die Auslichtung der Baumkronen. Nachdem der Auftraggeber die Zahlung dieser Leistungen verweigert hat, klagt der Auftragnehmer den Restwerklohn ein.

Entscheidung

Das OLG weist die Klage ab und bestätigt damit die Entscheidung des Landgerichts – dem Auftragnehmer stehe kein zusätzlicher Honoraranspruch bezüglich der Auslichtung der Baumkronen zu. Der Auftragnehmer sei im Hinblick auf die Beauftragung von zusätzlichen Leistungen beweispflichtig und habe nicht dargetan, dass er vom Auftraggeber zusätzlich beauftragt worden sei.

Vortrag zur Bevollmächtigung des Bauleiters fehle jedenfalls. Der Äußerung des Bauleiters sei – ungeachtet der Frage seiner Bevollmächtigung – zudem schon keine Angebotserklärung zu entnehmen. Die Äußerung könne vielmehr als Aufforderung zur Mängelbeseitigung aufgefasst werden, weil die Auslichtung der Kronen bereits im ursprünglichen Vertrag enthalten sei. Selbst wenn man unterstelle, der Auftragnehmer habe den Bauleiter darauf hingewiesen, dass er die Auslichtung für eine zusätzlich zu vergütende Leistung halte, habe der Bauleiter dieses „Angebot“ des Auftragnehmers nicht angenommen. Der Vertrag sehe zudem für Nachtragsangebote vor, dass sie schriftlich mit einzeln aufgeführten Unterlagen eingereicht werden müssten, so dass es nicht ersichtlich bzw. ausgeschlossen sei, dass der Bauleiter ein mündliches Angebot ohne jede Klärung der Vergütungshöhe angenommen habe.

Ein Anerkenntnis der zusätzlichen Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B liege ebenfalls nicht vor, weil die Abnahme als bloße Hinnahme der Leistung dafür nicht ausreiche. Dass die zusätzlichen Leistungen für die Erfüllung des Vertrages notwendig gewesen seien (§ 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B), sei schließlich auch nicht ersichtlich und vorgetragen worden.

Anmerkung

Zur Erinnerung: Es gilt der Merksatz, dass die Vollmacht des Bauleiters endet, wo das Portemonnaie des Bauherrn anfängt. Ohne vertragliche Festlegungen wird es für Auftragnehmer schwierig, einen Auftrag des Bauherrn durch den Bauleiter – etwa durch eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht – zu belegen. Solche Rechtscheinsvollmachten setzten voraus, dass der Bauherr Kenntnis von den „Aufträgen“ des Bauleiters genommen hat und nicht eingeschritten ist, sondern ggf. sogar die entsprechenden Zusatzaufträge bezahlt hat. Da hier die vermeintlich zusätzliche Leistung in gewissem Umfang schon im ursprünglichen Auftrag enthalten war, war es noch schwieriger, sie als zusätzliche Leistung zu bewerten und abzurechnen. Dass hier auch noch genaue Vorgaben für die Einreichung von Nachtragsangeboten vereinbart worden waren, verbaute nach Ansicht des OLG endgültig den Weg einer Nachtragsbeauftragung „auf Zuruf“. Es sollte daher trotz aller üblichen Eile und Drucks auf der Baustelle auf ein Mindestmaß an Verbindlichkeit bezüglich Nachträgen geachtet werden, um nicht Gefahr zu laufen, seine Nachtragsforderung nicht realisieren zu können.

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