Ohne Rechnung – ohne Rechte

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 18.10.2017 — Aktenzeichen: 12 U 115/16

Manche lernen es nie. Schwarzarbeit ist nicht nur strafbar, sondern führt auch dazu, dass solche Verträge, in denen die Vertragspartner verabredet haben, Leistungen (teilweise) ohne Rechnung zu erbringen, null und nichtig sind. Dann gibt´s nichts — kein Werklohn, kein Honorar, kein Schadensersatz, keine Rückzahlung vorausgezahlter Beträge. Dies gilt auch für Architektenverträge.

Leitsatz
Die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB, § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG hinsichtlich eines Architektenvertrags tritt auch ein, wenn die Vertragsparteien erst nachträglich und in Bezug auf einen Teil des Architektenhonorars eine „Ohne-Rechnung-Abrede“ treffen. Die Nichtigkeit des Architektenvertrags führt dazu, dass Mängelansprüche des Auftraggebers ausgeschlossen sind.

Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Architektenleistung. Beklagte war mündlich beauftragt, Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 7 der HOAI für die Instandsetzung eines Wohnhauses zu erbringen. Nach Ausführung von Arbeiten vermutete die Klägerin Mängel und beauftragte sie eine Architektin und einen Sachverständigen mit einer Besichtigung und gutachterlicher Überprüfung. Auf Grundlage deren Feststellungen verlangte die Klägerin im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der ihr entstandenen Kosten sowie behaupteter Mängelbeseitigungskosten, hilfsweise Kostenvorschuss sowie die Feststellung der weiteren Schadensersatzverpflichtung des Beklagten.

Der Beklagte verteidigte sich damit, dass bereits vor Stellung der Schlussrechnung ein Betrag von 5.000 Euro in bar und ohne Rechnung bezahlt worden sei; dieser Betrag sei nicht in die Schlussrechnung aufgenommen worden.

Entscheidung
Die Klage der Klägerin wurde abgewiesen. Der geschlossene Vertrag sei nichtig, weil die Parteien durch die unstreitige Barzahlung über 5.000 Euro gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen haben.

Das OLG Hamm führt aus: § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG enthält das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrages, wenn dieser Regelungen enthält, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, die sich aufgrund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergeben. Das Verbot führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Unternehmer vorsätzlich hiergegen verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Insbesondere reicht eine solche Beteiligung des Bestellers in den Fällen aus, in denen der Unternehmer seine Pflicht zur Erteilung einer Rechnung verletzt und der Besteller dies bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt. Denn der Gesetzgeber hat zusammen mit der Neufassung des Gesetzes gegen Schwarzarbeit zugleich das Umsatzsteuergesetz geändert, um die Pflichten zur Rechnungserteilung und -aufbewahrung zu erweitern und umfassender zu sanktionieren. Er hat hierfür gerade deshalb eine Notwendigkeit gesehen, weil nur so das Ziel, die Form der Schwarzarbeit in Gestalt von „Ohne-Rechnung-Geschäften“ wirkungsvoll zu bekämpfen, erreicht werden könne. Ziel war es, die „Ohne-Rechnung-Geschäfte“ zu verhindern. Adressat war dabei ausdrücklich auch der Besteller. Dem entspricht es, die Nichtigkeitsfolge schon dann eintreten zu lassen, wenn der Besteller von den entsprechenden Verstößen des Unternehmers weiß und sie bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt. Auch derjenige „leistet“ nach § 1 Abs. 2 SchwarzArbG Schwarzarbeit, der Dienst- oder Werkleistungen „ausführen lässt“ und dabei in den Nummern § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SchwarzArbG normierte qualifizierte Merkmale erfüllt. Im Falle der Entlohnung eines selbständigen Handwerkers durch den Besteller ohne Rechnungsstellung liegt in objektiver Hinsicht regelmäßig ein Verstoß des Unternehmers gegen die Erklärungs- und Anmeldungspflichten gemäß § 25 Abs. 3 EStG und § 18 Abs. 1, Abs. 3 UStG sowie gegen die Rechnungsstellungspflicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG vor. Der Gesetzgeber hat den Tatbestand der Verletzung steuerlicher Pflichten ausdrücklich zur Beschreibung einer Form der Schwarzarbeit eingeführt, weil diese in Zusammenhang mit Schwarzarbeit regelmäßig in der Absicht verletzt werden, Steuern zu hinterziehen. Mit der Regelung wurde bewusst auch der Auftraggeber erfasst, der die Schwarzarbeit erst ermöglicht oder unterstützt, da ohne ihn die Schwarzarbeit gar nicht vorkommen würde. Auch dieser Tatbestand stellt ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar.

Der Beklagte hat danach verbotene Schwarzarbeit im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG geleistet, indem er unstreitig von dem Architektenhonorar 5.000,00 Euro in Bin auf dem Rückweg! und ohne Rechnungsstellung entgegengenommen hat. Dies hat auch die Klägerin erkannt und bewusst zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt.

Es kommt nicht darauf an, ob die obergerichtliche Rechtsprechung zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit erst nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt ergangen ist. Diese Rechtsprechung knüpft an die Regelungen des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit an, die auch im hier maßgeblichen Zeitraum Geltung hatten.

Der Umstand, dass die Parteien zum Zeitpunkt des ursprünglichen Vertragsschlusses noch keine „Ohne-Rechnung-Abrede“ getroffen und damit zunächst einen wirksamen Vertrag abgeschlossen hatten, führt zu keiner anderen Bewertung. Die nachträgliche Abrede, einen Teilbetrag ohne Rechnung zu zahlen, hat den ursprünglich wirksamen Architektenvertrag umgestaltet mit dem Inhalt, den er durch die teilweise „Ohne-Rechnung-Abrede“ gefunden hat. Eine isolierte Betrachtung der „Ohne-Rechnung-Abrede“ berücksichtigte nicht hinreichend den verfolgten Zweck, den ursprünglich geschlossenen Vertrag an die neu vereinbarten Konditionen anzupassen und damit abzuändern.

Darüber hinaus würde ein Verständnis, das die Nichtigkeit auf die nachträgliche Abrede begrenzt, der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers zuwiderlaufen, die Form der Schwarzarbeit in Gestalt von „Ohne-Rechnung-Geschäften“ wirkungsvoll zu bekämpfen. Das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit will nicht nur den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit eindämmen, sondern im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung den zugrunde liegenden Rechtsgeschäften die rechtliche Wirkung nehmen. Wer das im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz enthaltene Verbot bewusst missachtet, soll nach der Intention des Gesetzgebers schutzlos bleiben und veranlasst werden, das verbotene Geschäft nicht abzuschließen. Mit diesem Schutzzweck des Gesetzes wäre es gerade nicht vereinbar, die nachträgliche „Ohne-Rechnung-Abrede“, die das vertragliche Synallagma insgesamt umgestalten soll, isoliert zu betrachten und der vom Gesetzgeber missbilligten Vorgehensweise der Vertragsparteien nur deswegen Wirksamkeit zuzusprechen, weil der Abschluss des Architekten- oder Werkvertrags und die „Ohne-Rechnung-Abrede“ zeitlich auseinanderfallen, die Vertragsparteien sich also erst zu einem späteren Zeitpunkt bewusst für die Illegalität entscheiden. Eine solche einschränkende Anwendung der Nichtigkeitsfolge würde den Vertragspartnern die Möglichkeit eröffnen, erst nach Vertragsschluss eine Schwarzgeldabrede zu treffen und dadurch den Werkvertrag zu „retten“. Nicht allein die Gefahr der bewussten Umgehung der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB durch die nachträgliche Schwarzgeldabrede, sondern die Erfahrung, dass solche Vereinbarungen in der Praxis tatsächlich oft erst nach dem eigentlichen Vertragsschluss getroffen werden, führt zu der Notwendigkeit, die Nichtigkeitsfolge aus dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz auch in diesen Fällen eintreten zu lassen.

Der Verstoß gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit führt zu einer Gesamtnichtigkeit des Architektenvertrages. Bei dem von den Parteien geschlossenen Architektenvertrag handelt es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft. Dem steht nicht entgegen, dass der Vertrag nach dem Vortrag der Klägerin erst nachträglich um die Bauüberwachung erweitert worden sein soll. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass entgegen der Regelwirkung des § 139 BGB nur eine Teil-Nichtigkeit — beschränkt auf die Vereinbarung der Bauüberwachung durch den Beklagten — eingetreten ist.

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