Aufrechnung mit Mängelbeseitigungskosten

OLG Hamm, Urteil vom 28.6.2005 — Aktenzeichen: 21 U 4/04

Das Aufrechnungsverbot des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO gilt nicht für die Aufrechnung mit Mängelbeseitigungskosten in der Insolvenz.

Problem/Sachverhalt
Der Auftragnehmer führte Dachdeckerarbeiten durch. Nach Eintritt der Insolvenz über das Vermögen des Auftragnehmers macht der Insolvenzverwalter den Restwerklohn geltend. Der Auftraggeber verweigert die Zahlung unter Berufung auf Mängel. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO greife ein. Der Auftraggeber könne nicht mit den Mängelbeseitigungskosten aufrechnen. Das Landgericht hat der Klage des Insolvenzverwalters stattgegeben. Diese Wertung hat der 21. Zivilsenat des OLG Hamm korrigiert.

Entscheidung
Das OLG Hamm hat ausgeführt, der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers/Insolvenzverwalters sei durch Verrechnung mit Mängelgewährleistungsansprüchen gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B des Auftraggebers vollständig aufgezehrt worden. Das OLG führt im einzelnen aus, dass die Leistungen des Auftragnehmers mangelhaft gewesen seien. Der Auftragnehmer könne wegen der Mängelbeseitigungskosten einen auf Zahlung von Geld gerichteten Anspruch geltend machen. Zwar habe der Auftraggeber den Insolvenzverwalter nicht unter Fristsetzung zur Nachbesserung aufgefordert, doch sei diese ausnahmsweise entbehrlich geworden, weil sie sinnlos gewesen wäre. Nach den Feststellungen des OLG hat der Insolvenzverwalter die Mängelansprüche beharrlich zurückgewiesen. Das Aufrechnungsverbot gemäß

§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO stehe der Aufrechnung nicht entgegen. Es handele sich hier um eine sog. Verrechnung, die dazu führe, dass der Werklohnanspruch auch ohne ausdrückliche Erklärung des Auftraggebers von vornherein nur in einer um die Gegenforderung verminderten Höhe bestehe (BGH, IBR 2001, 625). Selbst wenn man der vorgenannten Argumentation nicht folgen wollte, wäre § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht anwendbar. Die Berücksichtigung der Gegenansprüche stellt keine Bevorzugung des Auftraggebers gegenüber anderen Insolvenzgläubigern dar. Vielmehr wäre gerade die Nichtberücksichtigung eine nicht zu rechtfertigende Bevorzugung des mangelhaft leistenden insolventen Auftragnehmers.

Praxishinweis
Die vorrangige Begründung im Urteil des OLG Hamm („Verrechnung“ statt „Aufrechnung“) ist vor dem Hintergrund der aktuellen BGH-Rechtsprechung nicht mehr zu halten. Der BGH hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zur „Verrechnung“ ausdrücklich nicht mehr fest (BGH, IBR 2005, 465). Die zweite Begründung des OLG Hamm ist jedoch tragfähig, wenngleich vom BGH bislang nicht entschieden. Vorsorglich sollte deshalb der Auftraggeber durch eine rechtzeitige Fristsetzung die Voraussetzung für die Entstehung eines Zahlungsanspruches aufgrund der Mängelansprüche vor Insolvenzverfahrenseröffnung Sorge tragen.

image_pdf