Anforderung an die Darlegung eines Erwerbsschadens eines Selbstständigen (hier: Zahnarztpraxis)

BGH, Urteil vom 19.9.2017 — Aktenzeichen: VI-ZR 530/17

Sachverhalt
Die Beklagten sind dem Kläger aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 26.10.2006 dem Grunde nach uneingeschränkt zum Schadensersatz verpflichtet. Der Kläger, ein selbstständiger Zahnarzt, hat bei dem Unfall unter anderem eine Verletzung am linken Handgelenk erlitten, die ihm bei seiner zahnärztlichen Tätigkeit dauerhaft beeinträchtigt.

Mit seiner Klage nimmt er die Beklagten auf Schmerzensgeld abzüglich bereits gezahlter 2.000,00 €, Verdienstausfall für 7 Fehltage nach dem Unfall in Höhe von 6.033,08 € und für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis zum 31.10.2011 in Höhe von weiteren 85.500,00 €, Freistellung von gerichtlichen Anwaltskosten und Feststellung in Anspruch. Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von (weiterem) Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 €, Verdienstausfall für 7 Fehltage in Höhe von 6.033,08 € sowie Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in entsprechender Höhe verurteilt und die begehrte Feststellung in Bezug auf zukünftige materielle Schäden getroffen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat das Urteil auf die Berufung beider Parteien unter Berufungszurückweisung im Übrigen abgeändert und — in Höhe von mit der Berufung der Beklagten nicht angegriffener 2.000,00 € Schmerzensgeld klarstellend — dahin neu gefasst, dass die Beklagten zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 7.000,00 € sowie Verdienstausfall in Höhe von 5.824,79 € nebst Freistellung verurteilt sind. Die Feststellung hat es auf die zukünftigen immateriellen Schäden erstreckt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche auf Schmerzensgeld in Höhe von weiteren 3.000,00 € und Verdienstausfall für 7 Fehltage in Höhe von zusätzlich 208,29 € und in Höhe von 85.500,00 € für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.10.2011.

Entscheidung
Auf die Revision des Klägers wurde das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgericht vom 17.10.2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Der BGH führt aus, dass mit der Begründung des Berufungsgerichts ein Anspruch auf Ersatz des weiter geltend gemachten Verdienstausfalls sowie auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes nicht verneint werden kann.

Wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, bedarf bei selbstständig Tätigen zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfall erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unternehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte. Für die Grundlagen der danach erforderlichen Prognose des erzielbaren Gewinns ist nicht auf den Zeitpunkt des Schadenereignisses, sondern auf denjenigen der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.

Dabei kommen dem Geschädigten die Darlegungs- und Beweiserleichterungen nach §§ 252 BGB, 287 ZPO zu Gute. Es bedarf insoweit konkreter Anknüpfungstatsachen, die der Geschädigte darlegen und zur Überzeugung des Gerichts nachweisen muss. Dabei wird es in der Regel erforderlich und angebracht sein, an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen. Der BGH bestätigte insoweit seine ständige Rechtsprechung. Er wies jedoch auch darauf hin, dass an die schwierige Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebs eines Selbstständigen keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden dürfen. Die Klage darf nicht wegen lückenhaften Vortrags zur Schadenentstehung und Schadenshöhe abgewiesen werden solange greifbare Anhaltspunkte für eine Schadenschätzung vorhanden sind. Insbesondere ist es Aufgabe der Instanzgerichte, einem solchen Vortrag durch Sachverständige nachzugehen, wenn — wie im vorliegenden Fall — die Verletzungen nachvollziehbare Auswirkungen auf die Berufsausübung hat und Gewinnermittlungen der letzten Jahre vorgelegt wurden.

Mit dem Urteil bestätigt der BGH seine Rechtsprechung, dass auch im Rahmen des § 287 ZPO ein umfassender Aufklärungsbedarf seitens der Gerichte besteht.

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