Zur Reichweite von Bedenkenhinweispflichten
OLG Düsseldorf, Urteil vom 6.10.2017 — Aktenzeichen: 22 U 41/17
Leitsatz
Der Auftragnehmer/Werkunternehmer kann sich nicht allein auf die mit dem Auftraggeber/Besteller getroffenen Vereinbarungen über die Beschaffenheit des herzustellenden Werkes berufen, sondern hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in aller Regel auch für die Funktionalität des Werkes einzustehen. Daraus folgt, dass er sich vorab auch mit der Beschaffenheit von Vorgewerken und fremden Planungsleistungen auseinandersetzen muss, auf denen sein Gewerk aufbaut. Erkennt der Auftragnehmer (oder müsste er erkennen), dass Vorleistungen den eigenen Werkerfolg beeinträchtigen, muss er den Auftraggeber darauf hinweisen. Eine solche Hinweispflicht ergibt sich ausdrücklich aus § 4 Abs. 3 VOB/B und ist im BGB-Vertrag von der Rechtsprechung als vertragliche Nebenpflicht anerkannt.
Sachverhalt
Das OLG Düsseldorf hat am 06.10.2017 in der Berufungsinstanz einen Rechtsstreit zu dieser Thematik recht anschaulich entschieden.
Die Klägerin betreibt ein Abfallwirtschaftsunternehmen und beauftragte die Beklagte mit der Herstellung eines Hallenbodens aus Beton zu einem Preis von ca. 270.000,00 €. Die Klägerin beabsichtigte, in dieser Halle u.a. chemische Abfälle zu lagern; dies war der Beklagten bekannt. Die Ausführungsplanung gab die Klägerin vor. Diese berücksichtigte allerdings nicht, dass die Bodenplatte entgegen üblichen Standards absolut rissfrei beschaffen sein muss, damit spezielle chemische Abfälle nicht ins Grundwasser gelangen. Die Beklagte führte den Hallenboden schließlich entsprechend der klägerischen Planung aus. Noch während der Gewährleistungszeit kam es zu feinen Rissbildungen im Boden, die normalerweise noch innerhalb der Toleranz liegen.
Entscheidung
Das OLG Düsseldorf hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen; die Beklagte bleibt damit zur Zahlung von Schadens- und Kostenersatz verurteilt. Der Senat hat festgestellt, die Beklagte habe wegen unterlassenen Bedenkenhinweisen eine Pflicht aus dem Werkvertrag verletzt.
Denn sie sei verpflichtet gewesen – auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart war – zu prüfen, ob Leistungsvorgaben der Klägerin, behördliche Vorgaben, Vorgewerke und bauseitige Umstände auf die Funktionstauglichkeit des herzustellenden Gewerkes Einfluss nehmen können. Sie hafte nur dann ausnahmsweise nicht, wenn sie entweder auf Bedenken hingewiesen habe oder eine mögliche Beeinträchtigung nicht habe erkennen können. Die Möglichkeit der Erkennbarkeit scheitere jedoch grundsätzlich nicht schon an der fehlenden persönlichen Kenntnis des Auftragnehmers. Vielmehr müsse dieser im Zweifel geeignete Fachplaner oder fachkundige Spezialfirmen konsultieren, um sich Kenntnis zu verschaffen. Doch auch im Falle eines Bedenkenhinweises enthafte sich die Beklagte nur dann, wenn sie inhaltlich klar, vollständig und erschöpfend die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren einer zweifelhaften Ausführungsweise konkret dargelegt und der Klägerin damit die Tragweite der Nichtbefolgung ihrer Hinweise erkennbar gemacht hätte.
Im vorliegenden Fall sei die Beklagte diesen Anforderungen nicht gerecht geworden. Sie habe die Ausführungsplanung ohne Beanstandung befolgt, obwohl sie hätte erkennen müssen, dass der Werkerfolg nicht erreicht wird. Ein anspruchsreduzierendes Mitverschulden der Klägerin komme nicht in Betracht, weil die Beklagte eine technische Fachkenntnis der Klägerin nicht nachgewiesen habe.
Die Entscheidung ist rechtlich zutreffend und folgt der obergerichtlichen Rechtsprechung. Wie daran deutlich wird, ist die Hinweispflicht-Haftung tückisch. Der Werkunternehmer muss daher stets sorgfältig prüfen, worauf er baut.