Zu den Nachforschungs- und Aufklärungspflichten eines Anlageberaters bei Vermittlung einer Anlage

BGH, Urteil vom 16.9.2010 — Aktenzeichen: III ZR 14/10

Leitsatz
Zum Umfang der Nachforschungspflichten eines Anlageberaters im Hinblick auf den im Emissionsprospekt eines Filmfonds angesprochenen Erlösversicherer.

Sachverhalt
Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen behaupteter Beratungspflichtverletzung des Beklagten anlässlich der Beteiligung an einem Filmfonds. Bei diesem Filmfonds wurde zur Reduzierung des Erlösrisikos eine Erlösversicherung abgeschlossen. Als möglicher Erlösversicherer wurde z. B. die NEIS, Brüssel angegeben. Vor der NEIS-Versicherung hatte das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen bzgl. Kaskoversicherungen bei Klein- und mittleren Privatflugzeugen und bezgl. des Direktversicherungsgeschäftes in Deutschland gewarnt. Als Filmeinnahmen ausblieben, glich die NEIS diese nicht aus, weshalb der Filmfonds inzwischen nahezu wertlos ist. Der Beklagte hatte sich vor den Beratungsgesprächen auf einer Schulung über das Konzept des Filmfonds kundig gemacht sowie in Fachzeitschriften über den Ruf des Filmfonds der Apollo Media GmbH & Co. KG nachgelesen. Er hatte jedoch keine Informationen über die Erlösversicherung, insbesondere die im Prospekt genannten NEIS, eingeholt. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe eine Anfrage an das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen richten müssen und hätte dann Kenntnis von dessen negativer Pressemitteilung über die NEIS bzgl. der Kaskoversicherung für Privatflugzeuge und des Direktvertriebs gehabt.

Entscheidung
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen und das klageabweisende Urteil des Oberlandesgerichts München bestätigt. Der BGH führt aus, grundsätzlich müsse sich der Berater aktuelle Informationen bzgl. der Erlösversicherer verschaffen, wozu die Auswertung vorhandener Veröffentlichungen in der Wirtschaftspresse gehöre. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führe aber nur dann zu einer Haftung, wenn bei der gebotenen Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Anleger hätte aufgeklärt werden müssen, oder aber, wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Anlage nicht anleger- und/oder objektgerecht sei. Die Presseveröffentlichung des Bundesaufsichtsamts habe der Beklagte bei der Beratung aber weder erkennen noch habe síe ihm präsent sein müssen. Im Zeitpunkt der Beratung sei die Mitteilung bereits 4 Jahre alt gewesen. Zudem habe die Mitteilung Kaskoversicherungsverträge und den Betrieb des Direktversicherungsgeschäfts betroffen. Für eine Erlösversicherung für einen Filmfonds habe dies keine Rolle gespielt. Daher sei eine Anfrage an das Bundesaufsichtsamts zur Abklärung des Risikos nicht erforderlich gewesen.

Zudem schulde ein Berater an sich keine Nachfrage bei der Aufsichtsbehörde. Ein Anlageberater könne regelmäßig davon ausgehen, dass für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen (Presseerklärung) der zuständigen Aufsichtsbehörde auch in der vom Berater zur Kenntnis zu nehmenden einschlägigen Wirtschaftspresse ihren Niederschlag finden. Daher reiche die Auswertung der einschlägigen Wirtschaftspresse.

Der Beklagte habe auch nicht über das Unterlassen der Einholung von Erkundigungen bzgl. der NEIS aufklären müssen. Der BGH führt dazu aus, dass der Berater grundsätzlich keine weiteren Nachforschungen anstellen muss, wenn die geschuldete Lektüre der einschlägigen Wirtschaftspresse keinen Anlass gibt, an der Seriosität der an einer Kapitalanlage Beteiligten zu zweifeln. In dem Fall bestehe auch keine Aufklärungspflicht im Hinblick auf eine Unterlassung der weiteren Nachforschung.

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