Wer ist zuständig für Unfallschutz bei Dacharbeiten?

Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 6.9.2012 — Aktenzeichen: 10 U 192/12

Kommt es auf Baustellen zu einem Personenschaden, stellt sich die Frage, wer dafür haftungsrechtlich verantwortlich ist. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Arbeiter bei Photovoltaikarbeiten durch ein Dach gestürzt ist.

Leitsatz
Soweit es um die Sicherheit der beauftragten Arbeiten geht, ist allein der fachkundige Auftragnehmer verantwortlich und nicht etwa der Auftraggeber, auch wenn Auftraggeber ein Generalunternehmer ist.

Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld wegen behaupteter Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Anspruch.

Die Beklagte schloss im März 2010 mit der A GbR einen Rahmenvertrag über die Installation von Photovoltaikanlagen.

Aufgrund dieses Rahmenvertrags erteilte die A GbR dem Kläger als Subunternehmer am 05.04.2010 den Auftrag zur Installation entsprechender Anlagen auf Gebäuden, die im Eigentum des Zeugen Z1 stehen.

Am 07.03.2010 brachen bei Installationsarbeiten auf dem so bezeichneten Dach Nr. 4 zunächst ein anderer Nachunternehmer der Beklagten und unmittelbar darauf der Kläger durch ein Dachelement. Hierbei zog sich der Kläger schwere Verletzungen zu.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der Beklagten habe es oblegen, im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht Absturzsicherungen unterhalb der Dächer anzubringen.

Die Beklagte hat behauptet, mit der Subunternehmerin A GbR sei vereinbart gewesen, dass die Installationsarbeiten zunächst auf Dach 1, das — dies ist unstreitig — keiner Sicherheitsvorkehrungen bedurft habe, durchgeführt werden. Die Subunternehmerin sei darauf hingewiesen worden, dass auf dem Dach 4 zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich seien. Der Eigentümer habe Bohlen zur Absicherung der Arbeitswege zur Verfügung gestellt gehabt.

Der Geschäftsführer der Beklagten habe die Baustelle täglich kontrolliert. Am Unfalltage hätten sich morgens keine Personen auf dem Dach 4 befunden.

Das Landgericht hat Beweis durch Vernehmung des Zeugen Z1 erhoben und die Klage sodann abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Dächer in einer bestimmten Reihenfolge bearbeitet werden sollten. Arbeiten auf dem Dach 4 seien zum Unfallzeitpunkt nicht vorgesehen gewesen.

Dem Kläger sei dies auch bekannt gewesen. Nicht erwiesen sei, dass der Geschäftsführer der Beklagten Kenntnis davon gehabt habe, dass am Unfalltag bereits andere Personen auf Dach 4 gearbeitet haben. Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er rügt eine fehlerhafte Würdigung der Zeugenaussage durch das Landgericht. Der Zeuge sei nicht glaubwürdig. Die Arbeitsreihenfolge sei in einem Gespräch festgelegt worden, an dem nicht der Kläger, sondern der Zeuge Z2 teilgenommen habe. Die Beklagte habe nicht behauptet, dass der Zeuge Z2 den Kläger umfassend über die Risiken auf der Baustelle aufgeklärt habe.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidung
Das Oberlandesgericht hielt die Berufung für aussichtslos. Es hat ausgeführt:

Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.

Die Beklagte war nicht gegenüber dem Kläger verkehrssicherungspflichtig. Die Eigenschaft der Beklagten als Generalunternehmerin begründet eben so wenig eine Verkehrssicherungspflicht gegenüber dem Kläger wie die Erteilung eines Subunternehmerauftrags (s.a. OLG Köln, Urteil vom 17.02.2004 — 22 U 145/03). Jedenfalls soweit es um die Sicherheit der beauftragten Arbeiten geht, ist allein der fachkundige Auftragnehmer verantwortlich und nicht etwa der Auftraggeber.

Verkehrssicherungspflichten folgen aus der Eröffnung von Gefahrenquellen oder der Sachherrschaft über eine Gefahrenquelle. Grundsätzlich trifft die Verkehrssicherungspflicht zunächst alle Unternehmer, die eine Gefahrenquelle schaffen oder diese beherrschen und dadurch in der Lage sind, Gefahren zu sehen und sie gleichzeitig abzuwenden (Werner/Pastor, BauR, 11. Auflage, § 823 BGB Rn. 1845). Soweit der Kläger und nicht die Beklagte oder deren Subunternehmer Arbeiten auf dem Dach zu erbringen hatten, hatte der Kläger die tatsächliche Herrschaft über Baugeschehen und Baustelle. Ihm oblag es im eigenen Interesse, die Baustelle mit zumutbaren Mitteln so sichern (BGH Z 68, 169, 175; OLG Koblenz VersR 2008, 1263, 1264 unter 5.). Dies entsprach auch dem Vertrag des Klägers mit der A GbR.

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