WEG: Videoüberwachung trotz Eingriffs in die Privatsphäre?

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 12.12.2019 – 33 C 3515/18 (28)

 

Leitsätze (redaktionell)

  1. Bei dem Einbau einer Videoanlage zur Überwachung von Gemeinschaftseigentum hat die Überwachung durch die Gemeinschaft zu erfolgen und die Voraussetzungen des § 6b BDSG (a.F.) sind einzuhalten.
  2. Das Überwachungsinteresse der Gemeinschaft überwiegt dem Interesse eines einzelnen, mit überwachten Wohnungseigentümers und Dritten, sofern dem Schutzbedürfnis ausreichend Rechnung getragen ist.
  3. Der einzelne Wohnungseigentümer hat den Eingriff in seine Privatsphäre hinzunehmen, wenn seine Interessen angemessen berücksichtigt werden.

 

Anmerkung

Hausverwalter müssen Wohnungseigentümerversammlungen vorbereiten und auf eine ordnungsgemäße Beschlussfassung hinwirken. Daher ist für sie auch die folgende Entscheidung von Bedeutung.

 

Sachverhalt

Die Parteien sind Mitglieder in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung am 30.11.2018 wurde aufgrund mehrerer Diebstähle sowie unbefugtem Zutritt Dritter der Einbau einer Videoüberwachungsanlage beschlossen. Die Videoüberwachung wurde installiert und erfasste die Zugangsbereiche des Hauses sowie der Tiefgarage. Die Auswertung erfolgte durch ein zertifiziertes Spezialunternehmen; Einsichtnahme sollte nur der Polizei oder anderen Strafverfolgungsbehörden im Bedarfsfall ermöglicht werden und die Aufzeichnungen sollten nach vier Wochen, sofern eine Auslesung nicht notwendig sein sollte, gelöscht werden.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin.

Die WEG begegnet den klägerischen Bedenken unter Verweis auf zahlreiche Diebstähle, Verunreinigungen und mehrere Fälle, in denen sich Personen unbefugt in Gärten und in der Tiefgarage aufhielten. Dies mache die Videoüberwachung in der gewählten Form statthaft.

 

Entscheidung

Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Der Beschluss, eine Videoüberwachung einzurichten, war rechtmäßig.

Gem. § 14 Nr. 1 WEG darf zwar keinem anderen Wohnungseigentümer ein Nachteil über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß erwachsen. Hierbei sind die Interessen der Wohnungseigentümer im Lichte der Grundrechte abzuwägen.

Zulässig ist der Einbau einer Videoüberwachungsanlage, sofern die Überwachung durch die Gemeinschaft erfolgt und die Voraussetzungen des § 6b BDSG (a.F.) eingehalten worden sind. Das Überwachungsinteresse der Gemeinschaft überwiegt dem Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und Dritten nur, wenn die Ausgestaltung der Überwachung inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis Rechnung trägt. Nur bei einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen haben diese den Eingriff in ihre Privatsphäre hinzunehmen.

Im vorliegenden Fall überwiegt aufgrund der zahlreichen Straftaten das Überwachungsinteresse der Gemeinschaft dem Interesse der Klägerin, nicht überwacht zu werden. Die Klägerin hat die Installation der Videoanlage sowie die Videoüberwachung zu dulden.

Dem Schutzbedürfnis der Klägerin ist durch die Überwachung lediglich in den Zugangsbereichen des Hauses sowie der Tiefgarage, der Auswertung durch ein zertifiziertes Spezialunternehmen und Einsichtnahme durch die Polizei oder andere Strafverfolgungsbehörden im Bedarfsfall sowie der Löschung der Aufzeichnungen nach vier Wochen, sofern eine Auslesung nicht notwendig sein sollte, ausreichend Rechnung getragen worden. Der Eingriff in die Privatsphäre der Klägerin ist so gering wie möglich und auch die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes wurden eingehalten.

 

Hinweis

Das AG Frankfurt zieht die Voraussetzungen des am 25.05.2018 – und somit bereits auch lange vor der Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung- aufgehobenen § 6b BDSG zur Beurteilung der Zulässigkeit des Einbaus einer Videoüberwachungsanlage heran. Ob es sich hierbei um ein Versehen oder eine bewusste Handlung handelte, ist unklar. Daher ist abzuwarten, ob diese Kriterien des früheren § 6b BDSG weiterhin herangezogen werden.

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