Verkehrssicherungspflicht IV: Abstehende Schrauben am Handlauf sind eine Gefahrenquelle
OLG Hamm, Urt. v. 09.02.2022 – 11 U 71/21
Leitsatz (amtlich)
Aus dem Handlauf einer Brücke für den Fußgänger- und Radverkehr hervorstehende, scharfkantige Schraubenköpfe können eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle darstellen.
Sachverhalt
Der Kläger verlangt von der Beklagten aufgrund einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht Schmerzensgeld.
Der Kläger fuhr mit dem Fahrrad über eine von der Beklagten unterhaltenen Radfahrer- und Fußgänger-Brücke, die einen Handlauf mit hervorstehenden, scharfkantigen Schraubenköpfen aufwies. Als er auf der Brücke anhielt, fasste er mit der Hand an das Brückengeländer. Dabei zog er sich eine Schnittwunde am rechten Handballen zu.
Die Beklagte lässt die Verkehrssicherheit der Brücke regelmäßig kontrollieren. Der hierfür zuständige Zeuge E vermerkte jedoch, diese sei in Ordnung gewesen.
Entscheidung
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schmerzensgeld i.H.v. 200,00€ gem. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 9, 9a, 47 StrWG zu. Die Beklagte hat die Brücke nicht verkehrssicher gehalten und dadurch schuldhaft ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Vorliegend stellte der Handlauf der Brücke eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle dar. Der Handlauf wies mehrere herausstehende, scharfkantige Schrauben auf, an denen sich Verkehrsteilnehmer, die sich an dem Handlauf festhielten verletzen konnten. Gewidmet ist die Brücke dem allgemeinen Fußgänger- und Radverkehr. Das Festhalten an dem Handlauf und das darüberstreichen u.a. älterer Leute und Kindern gehört zum normalen Gebrauch. Hiermit musste der Verkehrssicherungspflichtige auch rechnen.
Die Beklagte verletzte ihre Verkehrssicherungspflicht dadurch, dass sie die herausragenden Schrauben nicht beseitigte oder zumindest aufgrund der anstehenden Sanierung der Brücke vor diesen warnte.
Die Beklagte ließ die Verkehrssicherheit der Brücke zwar durch den Zeugen E kontrollieren, jedoch vermerkte dieser im Kontrollbuch, dass die Brücke in Ordnung gewesen sei und gab an, er habe keine konkrete Erinnerung mehr an den Zustand der Brücke und würde bei solchen Kontrollen vorwiegend den Geh- und Fahrbereich zu kontrollieren. Die hervorstehenden Schrauben hätte er jedoch als Gefahrenstelle gemeldet, wenn er sie gesehen hätte.
Dies spricht dafür, dass der Zeuge die scharfkantigen Schrauben am Handlauf fahrlässig übersah. Hierfür hat die Beklagte aufgrund der Amtshaftung einzustehen.
Hinsichtlich der Bemessung des Schmerzensgeldes ist dem Kläger ein Mitverschulden i.H.v. einem Drittel anzulasten, § 254 Abs. 1 BGB. Die Schrauben waren bei näherer Betrachtung erkennbar. Daher hätte auch damit gerechnet werden müssen, dass diese scharfkantig sein könnten. Grds. ist mit solch einer Gefahrenstelle zwar nicht zu rechnen, der Kläger konnte jedoch die Oberseite des Handlaufes sehen und die Schrauben bemerken.
Nach der Kürzung des Anspruchs aufgrund des Mitverschuldens des Klägers verbleibt ein Anspruch auf Schmerzensgeld i.H.v. 200,00€.