Verkehrssicherungspflicht III: Absicherung von Gefahrenstellen in Privatwohnungen

OLG Hamm, Beschl. v. 25.04.2022 – 11 W 15/22

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Handwerker ist bei Bauarbeiten in einer privaten Wohnung unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht nicht verantwortlich, wenn der Mieter die Wohnung während der Arbeiten abredewidrig betritt und dann aufgrund einer durch die Arbeiten bedingten, von ihm nicht erkannten Gefahrenstelle zu Schaden kommt.

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist Mieterin einer Wohnung. Im Zuge von durchzuführenden Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung vereinbarte sie einvernehmlich mit ihrem Vermieter, die Wohnung zum Zwecke der Durchführung der Bauarbeiten vorübergehend zu verlassen und sie währenddessen auch nicht aufzusuchen.

Als die Antragstellerin die Wohnung am Unfalltag während der noch stattfindenden Arbeiten betrat, stürzte sie aufgrund des im Zuge der Arbeiten bis zur Rigipsdecke der unteren Wohnung geöffneten Fußbodens in der Küche und verletzte sich. Die Gefahrenstelle war weder abgesperrt, noch anderweitig abgesichert. Sie behauptet, ein Bauarbeiter habe sie aufgrund ihres kurzen Grußes beim Betreten der Wohnung bemerkt, ihr jedoch keine weiteren Hinweise zu den Bauarbeiten mitgeteilt.

Die Antragstellerin möchte klageweise Schadensersatzansprüche gegen die Handwerker, die die Arbeiten durchführten, geltend machen. Hierzu beantragt sie Prozesskostenhilfe, die jedoch vom Landgericht versagt wurde. Hiergegen wendet sie sich nun mit der sofortigen Beschwerde.

 

Entscheidung

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Die Antragstellerin hat mangels Verkehrssicherungspflichtverletzung keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen die Antragsgegner. Andere Ansprüche kommen nicht in Betracht. Zwischen den Parteien bestand kein Vertragsverhältnis und aus dem Werkvertrag und nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ergeben sich für die Antragstellerin auch keine Ansprüche. Hierfür fehlt es schon an dem Kriterium der Leistungsnähe, denn die Antragstellerin konnte mit den Leistungen der Handwerker gar nicht in Berührung kommen, denn sie sollte die Wohnung während der Arbeiten nicht nutzen oder betreten.

Das Prozesskostenhilfegesuch kann jedoch nicht aufgrund eines anspruchsausschließenden Mitverschuldens gem. § 254 BGB versagt werden, wie das Landgericht zuvor annahm. Die Haftung aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung entfällt nicht schon dann, wenn der Geschädigte bei gebotener Sorgfalt die Gefahrenstelle hätte erkennen und sich hierauf einstellen können, denn damit würde die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung allein den Geschädigten treffen, auch wenn der Verkehrssicherungspflichtige die Ursache für den Schaden gesetzt hat. Dies widerspräche dem Schutzzweck der Verkehrssicherungspflicht. Ein haftungsausschließendes Mitverschulden kann daher nur angenommen werden, wenn der Geschädigte in einer unverständlichen Weise besonders sorglos handelt. Dies liegt im vorliegenden Fall nicht nahe.

Hier fehlt es jedoch bereits an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung.

Der Antragsgegner war schon nicht verpflichtet, die Gefahrenstelle abzusichern, denn die Arbeiten fanden in einer Privatwohnung statt und für die beteiligten Bauarbeiter war die Gefahrenstelle, die im Übrigen nicht betreten werden konnte und durfte, offensichtlich. Mit Personen, die die Wohnung betreten würden und sich der Gefahrenstelle nicht bewusst waren, insb. den Mietern, die die Wohnung vorübergehend verlassen hatten und sie auch nicht aufsuchen sollten, musste er nicht rechnen. Auch daraus, dass die Antragstellerin trotzdem die Wohnung betrat, entsteht keine Verkehrssicherungspflicht. Sie war ortskundig und für sie waren die Arbeiten in der Wohnung offensichtlich. Mit Personen, die die Wohnung betreten und die mit der Gefahrenstelle nicht umgehen können, brauchte der Antragsgegner nicht zu rechnen. Auch war er nicht verpflichtet, der Antragstellerin Hinweise zu den Bauarbeiten mitzuteilen, vielmehr durfte er davon ausgehen, dass sich die Antragstellerin auf die offensichtlichen Bauarbeiten einstellen und sich ggfs. danach erkundigen würde. Die Antragstellerin als Mieterin konnte als Ortskundige feststellen, welcher Bereich der Wohnung von den Bauarbeiten betroffen war und dass dieser wohlmöglich nur nach vorheriger Abstimmung mit den Handwerkern betreten werden kann.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war daher schon aufgrund einer fehlenden haftungsbegründenden Verkehrssicherungspflichtverletzung des Antragsgegners zu versagen.

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