Björn Kieckhäfer

zu „ca.“-Angaben bei Bauvertragsfristen

OLG Hamm, Beschluss vom 04.11.2021 – 21 U 10/20

(Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Gerade in Zeiten von Personalknappheit und Lieferengpässen stellt sich für den Bauunternehmer regelmäßig die Frage nach der Vereinbarung von Fertigstellungsfristen. Wird eine zu lange Frist vereinbart, besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber „abspringt“. Wird die Fertigstellungsfrist zu knapp bemessen, so läuft der Bauunternehmer Gefahr, die vereinbarte Frist nicht einzuhalten zu können. Vor diesem Hintergrund werden regelmäßig Fertigstellungsfristen vereinbart, die lediglich eine „ca.“-Angabe enthalten. Das OLG Hamm hatte sich im Rahmen einer solchen Vereinbarung mit der Frage zu befassen, ob der Auftragnehmer bei Vereinbarung einer solchen Frist in Verzug gerät und ob hieraus ein entsprechender Schadensersatzanspruch zugunsten des Auftraggebers erwächst.

 

Sachverhalt

In dem vom OLG Hamm zu entscheidenden Fall verlangte die Klägerin nach Fertigstellung ihrer Bauleistung die Zahlung des vereinbarten Werklohns von der Beklagten. Die Beklagte stützte Gegenansprüche in Gestalt von Schadensersatz auf den Verzug der Klägerin wegen verspäteter Fertigstellung der Leistung. Eine entsprechende Mahnung hinsichtlich der Einhaltung eines bestimmten Fertigstellungstermins wurde von der Beklagten nicht behauptet. Vielmehr stützte die Beklagte den Verzug der Fertigstellung auf die Vereinbarung von Lieferfristen, welche während und nach dem Vertragsschluss zwischen den Parteien kommuniziert wurden. Hierbei handelte es sich nicht um konkrete Zeitangaben, sondern um „ca.“-Fristen.

 

Entscheidung

Nach der Entscheidung des OLG Hamm genügen solche Fristen grundsätzlich nicht den Anforderungen an eine kalendermäßige Bestimmung. Da in dem zugrundeliegenden Fall keine konkreten Fristen zu Produktionsbeginn, Montagebeginn oder -dauer vereinbart wurden, konnte sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf verzögerungsbedingte Schadensersatzansprüche berufen. Dies ergab sich für den Senat insbesondere auch aus dem Umstand, dass die Ausführung des Gewerks von einer Mitwirkung der Beklagten abhing. Der Arbeitsbeginn wurde durch die Vereinbarung von „ca“-Fristen gerade nicht hinreichend konkret bestimmt.

 

Praxistipp:

Der Senat stellt bei dieser Entscheidung nochmal heraus, dass es sich bei der Vereinbarung von Fertigstellungsfristen um annahmebedürftige Willenserklärungen handelt, welche auch nach dem eigentlichen Vertragsschluss vereinbart werden können. Nicht ausreichend für einen Verzug des Auftragnehmers ist hingegen die (ggf. nachträglich) einseitige Fristbestimmung durch den Auftraggeber. Zusätzlich stellt der Senat in seiner Entscheidung klar, dass die Vereinbarung einer „ca.“-Angabe jedoch nicht per se einer verbindlichen Fristvereinbarung entgegensteht. Demnach lässt sich auch bei Vereinbarung von „ca.“-Fristen im Einzelfall ein Verzögerungsschaden ableiten, sofern sich die zeitliche Fixierung aus den weiteren Umständen der vertraglichen Vereinbarung ergibt. Im Falle einer „ca.“-Vereinbarung kann also auch ein Toleranzzeitraum gesehen werden, was jeweils im Wege der Auslegung festzustellen ist. Es bedarf also – wie so oft – einer Analyse der jeweiligen Begleitumstände.

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