Bauherr beauftragt Gutachter mit Schadensermittlung: Wer trägt die Kosten?

OLG Stuttgart, Urteil vom 28.01.2020 – 10 U 47/19; BGH, Beschluss vom 06.04.2022 – VII ZR 47/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

VOB/B § 13 Nr. 7 Abs. 3 Satz 1

Sachverhalt

Die Beklagte (Auftragnehmerin) liefert und montiert eine Polycarbonatfassade für eine Halle. Die Leistung wird abgenommen. Sodann stellt die Klägerin (Bauherrin) Mängel an den Fassadenteilen (u.a. Abplatzungen, Verfärbungen im Stoß- und Plattenbereich, spröde und harte Stöße, Risse im Bereich der Außenfläche) fest. Um Umfang und Ursache der Schäden abzuklären, beauftragt die Klägerin Privatgutachter. Dadurch entstehen Kosten von insgesamt  6.282,80 €. Gegenüber der beklagten Auftragnehmerin rügt die klagende Bauherrin die Mangelhaftigkeit der Werkleistung und fordert zur Mängelbeseitigung auf.

Muss die beklagte Auftragnehmerin die Gutachterkosten zur Ermittlung von Ursachen und Ausmaß der aufgetretenen Mängel in Höhe von 6.282,80 Euro erstatten?

Entscheidung

Das OLG Stuttgart bejaht kurzerhand einen Anspruch auf Erstattung der vorprozessual von der Klägerin aufgewendeten Kosten für Sachverständigengutachten aus  §  13 Nr. 7 Abs. 3 S. 1 VOB/B.

Bei den geltend gemachten Kosten handele es sich um Gutachterkosten, die von der Klägerin aufgewendet worden seien, um an der baulichen Anlage entstandene Schäden und deren Ursache festzustellen. Derartige Kosten sind als Schaden an der baulichen Anlage gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 1 VOB/B ersatzfähig (vgl. die Nachweise bei Wirth in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 20. Auflage, § 13 Abs. 7 VOB/B Rn. 137 f.).

Der erstinstanzlich von der Beklagten erhobene Einwand, das Gutachten sei völlig unbrauchbar, ändere nichts an der Erforderlichkeit eines Gutachtens und der Ersatzfähigkeit der Kosten.

Praxishinweis

Ob vorprozessual aufgewendete Privatgutachterkosten gem. §§ 280, 634 Nr. 4 BGB erstattungsfähig sind, ist ein häufiger Streitpunkt. Folgende Grundsätze wurden von der Rechtsprechung zu dieser Frage entwickelt:

Eine Erstattungsfähigkeit ist regelmäßig zu bejahen, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Einschaltung eines Privatgutachters „ex ante‟ als sachdienlich ansehen durfte (BGH, Beschluss v. 20.12.2011 – VI ZB 17/11). Dies bedeutet zugleich, dass die Erstattungsfähigkeit nicht von der Überzeugungskraft der Begutachtung abhängig ist (BGH, Beschluss vom 26.02.2013 – VI ZB 59/12), so dass die obige Entscheidung des OLG Stuttgart richtig sein dürfte.

Hinsichtlich der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten ist im privaten Baurecht einzubeziehen, dass sich ein Auftraggeber bei der Geltendmachung von Mängelansprüchen auf die Rüge von Mangelsymptomen beschränken darf (Symptomtheorie des BGH, vgl. Urteil v. 03.12.1998, VII ZR 405/97). Mitberücksichtigt werden muss auch, dass dem Auftragnehmer die Entscheidung über Art und Umfang von (Nach-)Erfüllungsmethoden  zusteht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.08.2013 – 22 U 4/13). Zu Gunsten des Auftraggebers ist wiederum zu bedenken, dass der Auftragnehmer ggf. ein nicht mangelfreies Werk als mangelfrei bezeichnet hat und eine nicht fällige Schlussrechnung gestellt hat. Damit hat der Auftragnehmer seine Pflichten gegenüber dem Auftraggeber schuldhaft verletzt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.09.2016 – 22 U 68/16).

Davon abzugrenzen sind die Kosten einer baubegleitenden Begutachtung. Diese muss der Bauherr / Auftraggeber immer selbst tragen (OLG Stuttgart, Urteil vom 16.11.2016 – 3 U 98/16; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.10.2010 – 21 U 194/09).

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