Verjährung §§ 110,113 SGB VII

BGH, Urteil vom 25.7.2017 — Aktenzeichen: VI ZR 433/16

Für die Verjährung der Ansprüche aus § 110 SGB VII gelten gem. § 113 SGB VII die §§ 195, 199 Abs. 1 und Abs. 2 BGB mit der Maßgabe, dass die Verjährungsfrist von drei Jahren von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht des SVT bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist. Im Rahmen dieser Norm waren bisher viele Einzelheiten streitig. So etwa, ob Kenntnis vom Schaden und Schädiger neben der bindenden Feststellung hinzutreten muss, ob die Verjährungsfrist tag genau oder erst mit dem Schluss des Jahres beginnt, oder ob für eine bindende Feststellung des SVT im Rahmen des § 113 SGB VII ein förmlicher mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehener Verwaltungsakt erforderlich ist oder bereits die Gewährung und Auszahlung von Einzelleistungen reicht — vergleiche hierzu Möhlenkamp, VersR 2013, 544 m.w.N.).

Mit Urteil vom 08.12.2015 (VersR 2016, 551) hatte sich der BGH erstmals mit dieser Regelung befasst, die meisten der angesprochenen Punkte jedoch offen gelassen. Allerdings hat er klar gestellt, dass eine bindende Feststellung der Leistungspflicht dann vorliegt, wenn der SVT den geschädigten Versicherten schriftlich darüber informiert habe, dass ein Arbeitsunfall vorliegt und er deshalb Leistungen zu erbringen habe.

Leitsatz
1. Nach § 113 Satz 1 SGB VII gelten für die Verjährung der Ansprüche nach §§ 110 und 111 SGB VII die §§ 195, 199 Abs. 1 und 2 und § 203 BGB entsprechend mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist.

2. Demnach hat stets eine taggenaue Berechnung der Verjährungsfrist — unabhängig von der Kenntnis oder grobfahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB — ab der bindenden Feststellung der Leistungspflicht zu erfolgen (Fortführung von BGH, Urteil vom 8. Dezember 2015, VI ZR 37/15).

Entscheidung
Nun hat der BGH erneut zu § 113 SGB VII entschieden und der bisher in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Meinung widersprochen, wonach es sowohl auf die Kenntnis des SVT als auch auf die Ultimo-Regel des § 119 Abs. 1 BGB ankommen soll, da § 113 SGB VII auf diese Norm verweise (zur anderen, nun vom BGH geteilten Ansicht siehe Möhlenkamp VersR 2013, 544).

Nach dem BGH kommt es für die Verjährung nach § 113 SGB VII nicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis nach § 199 Abs. 1 BGB an. Außerdem ist tag genau ab der bindenden Leistungsfeststellung des SVT zu rechnen. Die Ultimo-Regel des § 119 BGB — Beginn der Verjährung zum Jahresende — findet keine Anwendung.

Bereits der Wortlaut des § 113 Satz 1 SGB VII lege es nahe, dass die Vorschrift den Verjährungsbeginn abweichend von § 199 Abs. 1 BGB abschließend regle. Der Gesetzgeber wollte ersichtlich für den Regressanspruch aus § 110 SGB VII eine Sonderregelung treffen. Forderte man neben der bindenden Feststellung kumulativ die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Unfallversicherungsträgers im Sinne von § 199 BGB, würde diese klare Anordnung nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Zeitpunkt der bindenden Feststellung der Leistungspflicht nach dem der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis läge. Dies sei aber nicht zwingend und auch nicht stets der Fall. Im Falle einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis nach bindender Feststellung der Leistungspflicht als notwendiger Voraussetzung des Verjährungsbeginns könnte dann die Stichtagsregelung ab Kenntnis oder die „Ultimoregelung“ des § 199 Abs. 1 BGB herangezogen werden. Dadurch würde das im Rahmen des § 113 Satz 1 SGB VII eigenständige Kriterium des Verjährungsbeginns — bindende Leistungspflichtfeststellung — im Ergebnis jedoch oftmals leerlaufen (vgl. nur Möhlenkamp aaO S. 546).

Für die bindende Leistungspflichtfeststellung als alleiniges Kriterium des Beginns der Verjährungsfrist spreche auch die Entstehungsgeschichte des § 113 SGB VII. Nach der Vorgängerregelung des § 642 Abs. 1 RVO verjährten die Ansprüche in einem Jahr nach dem Tag, an dem die Leistungspflicht für den Träger der Unfallversicherung bindend festgestellt worden oder das Urteil rechtskräftig geworden ist, spätestens aber in fünf Jahren nach dem Arbeitsunfall. Auf die Kenntnis des Unfallversicherungsträgers kam es eindeutig nicht an. Daran habe sich mit Einführung des § 113 SGB VII durch das Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz nichts geändert. Denn nach § 113 SGB VII in dieser Fassung galten für die Verjährung der Ansprüche nach den §§ 110 und 111 SGB VII die Bestimmungen des § 852 Abs. 1 und 2 BGB entsprechend mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wurde, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt worden ist. Zwar regelte § 852 Abs. 1 BGB in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung eine Verjährung in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangte, doch sollte mit dem Verweis auf § 852 Abs. 1 BGB a.F. die Verjährungsfrist von einem auf drei Jahre erweitert werden. Eine Änderung des Verjährungsbeginns sollte daraus nicht abgeleitet werden (vgl. Möhlenkamp, VersR 2013, 544, 546). Die Materialien böten keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Verjährungsbeginn inhaltlich neu geregelt und dem Verweis auf § 199 BGB eine eigenständige Bedeutung zukommen sollte (vgl. Möhlenkamp, VersR 2013, 544, 549).

Somit ist letztlich nur noch die Frage offen, ob im Auszahlen einer Leistung bereits eine bindende Feststellung der Leistungspflicht des SVT gesehen werden kann. Wenn nach dem BGH schon die Anerkennung des Arbeitsunfalles gegenüber dem Geschädigten durch den UV-Träger ausreicht, dann muss erst recht die Auszahlung einer Leistung genügen. Denn dabei handelt es sich sowohl um einen konkludenten Verwaltungsakt als auch ging der Auszahlung zwangsläufig die behördeninterne Anerkennung des Unfalles als Versicherungsfall voraus (vgl. Möhlenkamp, VersR 2013, 544).

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