Gemeinsame Betriebsstätte 2

OLG Oldenburg, Urteil vom 16.4.2014 — Aktenzeichen: 1 U 81/14

Leitsatz
Arbeiten bei der Anlieferung von Tieren (hier: Schweinen) der Lkw-Fahrer und der Landwirt dergestalt Hand-in-Hand zusammen, dass der Fahrer die Rampe des Lkw herablässt und der Landwirt die Stalltür öffnet, dann liegt eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 SGB VII vor, was eine Haftung des Lkw-Fahrers für einen Unfall bei der Anlieferung ausschließt.

Sachverhalt
Im Fall des OLG Oldenburg fuhr der Beklagte seinen Lkw rückwärts mit heruntergelassener Ladeklappe an den Schweinestall des Klägers heran. Die Stalltür, durch welche die Schweine in den Stall gelangen sollten, war nur von innen zu öffnen. Durch die Ladeklappe des rückwärtsfahrenden Lkw wurde die Stalltür wieder zugedrückt, wobei die Einzelheiten des Geschehensablaufs streitig waren. Der linke Oberarm des Klägers wurde jedenfalls zwischen Tür und Türrahmen eingequetscht.

Entscheidung
Das OLG Oldenburg bejahte im Ergebnis – mit wenig überzeugender Begründung – ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII. Die Tätigkeit des einen sei ohne die Tätigkeit des anderen nicht vorstellbar gewesen. Es wäre sinnlos gewesen, wenn der Beklagte den Lkw vor die geschlossene Stalltür gefahren hätte. Genauso sinnlos wäre es gewesen, wenn der Kläger die Stalltür geöffnet hätte, ohne dass der Beklagte den Lkw herangefahren hätte.

Der Umstand, dass beide Arbeiten aufeinander aufgebaut haben, dürfte nach der Rechtsprechung des BGH allein jedoch nicht mehr ausreichen. Trotzdem haben hier beide Beteiligte bewusst und gewollt zur Erreichung desselben Zwecks zusammen gearbeitet. Vom OLG wurde aber nicht der Frage nachgegangen, ob auch eine wechselseitige Gefährdungslage vorlag, in welcher jeder sowohl Schädiger als auch Verletzter werden konnte. Wie sollte aber der in seinem Lkw sitzende Beklagte durch das Tun des Klägers gefährdet werden? Es wäre allenfalls ein psychisch vermittelter Schaden denkbar, etwa dadurch, dass er durch den Unfall oder den Anblick seiner Folgen einen Schock oder eine psychische Erkrankung erlitten hätte. Gegebenenfalls bestand auch die Gefahr einer Schreckreaktion oder eines Rangierfehlers. Ob derartiges ausreichend ist, ist bisher nicht entschieden. Jedenfalls sind Zweifel an der Entscheidung des OLG Oldenburg angezeigt.

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